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Generisches Maskulinum: Was ist das? – Teil 2

Wie kann ‚Schüler‘ auch ‚männlicher Schüler‘ bedeuten?

In letzter Zeit habe ich viele Diskussionen mit „Genderkritikern“ – also Menschen, die die Verwendung geschlechtergerechte Sprache ablehnen – geführt. Gerne wurden mit dann mehr oder weniger linguistische Argumente um die Ohren gehauen, die sich meistens wiederholten.

Das erste Argument, das ich in der Regel zu hören bekam, war: Aber maskuline Formen sind generisch. Dahinter steckt die Annahme eines ‚generischen Maskulinums‘. Damit habe ich mich an anderer Stelle ausführlich auseinandergesetzt. Jedenfalls ist die Idee, dass Schüler nicht ‚männlicher Schüler‘ bedeute. Vielmehr sei es eine geschlechtsneutrale Form – ‚generisch‘ –, die auf Personen jeglichen Geschlechts Bezug nehmen könne.  

Dem muss nicht widersprochen werden, denn in seiner Ausdrucksbedeutung ist Schüler nicht auf ein spezifisches Geschlecht seines Referenten – desjenigen, auf den es sich in der Welt bezieht – beschränkt. Auf Ebene der Äußerungsbedeutung – was bedeutet das Wort als Bestandteil einer konkreten Äußerung? – ist dies aber anders. Dann kann Schüler durchaus als ‚männlicher Schüler‘ interpretiert werden.

Oftmals habe ich zu hören bekommen, dass Schüler gar nicht ‚männlicher Schüler‘ bedeuten kann, denn sonst könnte mensch ja nicht sinnvoll eine Form wie Schülerin bilden. Schülerin bedeutet ganz klar ‚weiblicher Schüler‘. Würde Schüler ‚männlicher Schüler‘ bedeuten, so die Argumentation, dann müsste Schülerin somit ‚weiblicher männlicher Schüler‘ bedeuten. Klar, das tut es nicht. Aber die ganze Geschichte ist dann doch noch ein wenig genauer zu beschreiben.

Schüler ist ein konzeptuell unterspezifiziertes Nomen, es bedeutet – vereinfacht – ‚Person, die Schüler ist’‘‘. Das Nomen selbst legt nicht fest, wie oben schon ausgeführt, ob der Referent männlich, weiblich oder divers ist. Soweit stimmt dies mit der Story der Genderkritiker überein. Nun aber das große ABER: ein Schüler ist eine Person und wir haben als kompetente Sprachnutzer Wissen über Personen. Laut dem Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache ist eine Person u.a. ein ‚menschliches Wesen‘. Über Menschen wissen wir eine ganze Menge, zum Beispiel, dass sie eine bestimmte Größe, ein Gewicht, eine Augenfarbe, einen bestimmten Körperaufbau und so weiter haben. Wir wissen aber auch, dass Menschen ein Geschlecht haben. Können wir uns einen Menschen ohne Geschlecht denken? Also einen Menschen, der keinem der Geschlechter angehört? Vielleicht ja, aber das ist eine ungeheure Abstraktion. Damit ist auch klar, dass es solche Menschen jenseits aller Geschlechtskategorien nicht gibt. Reden wir über Menschen, dann reden wir über konkrete Personen und konkrete Personen haben ein Geschlecht.

In einem spezifischen Äußerungskontext muss ein Nomen interpretiert werden. Wird ein Nomen referentiell gebraucht – also so, dass es auf etwas in der Welt verweist –, dann nehmen wir an, dass es einen Referenten gibt. Damit inferieren wir ein Geschlecht. In einer konkreten Verwendung wird Schüler wird damit geschlechtsspezifisch interpretiert. Wir können annehmen, dass der Eigenschaft ‚Geschlecht‘ ein Wert zugewiesen wird. Wenn es keine sprachlichen Indikatoren (z.B. das Suffix -in oder ein Adjektiv wie männlich) gibt, müssen wir das Geschlecht erschließen. Dazu habe ich mehr an anderer Stelle geschrieben.

Es ist also möglich, dass das Nomen Schüler in seiner Ausdrucksbedeutung nicht auf ein Geschlecht festgelegt ist, aber dennoch als ‚männlicher Schüler‘ interpretiert werden kann. Und dabei entstehen nicht einmal Probleme für die Wortbildung, sodass Schülerin in diesem Modell nicht ‚weiblicher männlicher Schüler‘ bedeutet (und auch nicht bedeuten kann).

Gibt es denn nun gar keine geschlechtsunspezifischen Verwendungen? Am ehesten kommt einer geschlechtsunspezifischen Verwendung eine generische Verwendung nahe. In einer generischen Verwendung referiert ein Nomen nicht auf konkrete Individuen, sondern bezeichnet eine Klasse. Wir sehen den Unterschied zwischen Der Schüler kam heute wieder zu spät [ein konkreter, im Kontext spezifizierter Schüler] und Ein Schüler braucht immer ein gutes Frühstück. Im zweiten Satz geht es nicht um einen konkreten Schüler. Hier haben wir eine generische Verwendung, die wir aber auch mit der Form Schülerin hinbekommen (Eine Schülerin braucht immer ein gutes Frühstück). In einer generischen Verwendung bezieht sich Schülerin zwar nur auf die Klasse der Schülerinnen, aber das ist irrelevant.

Unter ‚generisch‘ ist also eine spezifische Verwendung von Nomen zu verstehen. Die meisten – vielleicht alle? – Nomen können generisch gebraucht werden. Das hat nichts mit ihrem Genus zu tun. Und viele Nomen können konzeptuell unterspezifiziert sein. Die Unterspezifikation muss nicht immer das Geschlecht betreffen, aber in einigen Fällen tritt dies auch bei Feminina auf, etwa die berühmte Leiche, die ja nicht immer weiblich sein muss. Auch damit haben die Genderkritiker Recht, denn das Nomen Leiche ist auch konzeptuell unterspezifiziert bezüglich des Geschlechts. Aber, wie Schüler,verlangt das Nomen eine Auflösung der Unterspezifikation, wenn es in einem konkreten referentiellen Äußerungskontext verwendet wird.

Für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache spricht also nicht, dass Nomen wie Schüler sich nur auf männliche Referenten beziehen würden. Es liegt also keine semantische Motivation vor. Für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache spricht, dass in ausreichend vielen Fällen maskuline Nomen (mit menschlichen Referenten) als ‚männlich‘ interpretiert werden. Die Motivation ist also, linguistisch gesprochen, auf der Ebene der Pragmatik – also der Sprachverwendung – angesiedelt. Dementsprechend gäbe es eine Alternative zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache: gäbe es keinen Anlass maskuline Formen als tendenziell männlich zu interpretieren, dann wären sie in ihrer Verwendung auch eher als geschlechtsneutral zu verstehen. Das hieße aber, dass die Geschlechterstereotype, die wir in unseren Köpfen haben (und die ein Spiegel der Gesellschaft sind), verschwinden oder durch neue ersetzt werden müssten. Geschlechtergerechte Sprache könnte ein Weg sein, diese Geschlechterstereotype, die die Interpretation von Äußerungen beeinflussen, zu verändern. Aber wichtig ist auch, dass es einen entsprechenden gesellschaftlichen Wandel gibt. Geschlechtergerechte Sprache kann ein Anstoß für den nötigen gesellschaftlichen Wandel bieten und sollte deshalb nicht regulativen staatlichen Eingriffen und ideologisch motivierten Attacken von rechts unterlegen sein.       

Generisches Maskulinum: Was ist das?

Konzeptuelle Unterspezifikation und Äußerungsbedeutung

Wenn mensch in die (sozialen) Medien schaut, dann scheint das wichtigste sprachpolitische Thema zu sein, ob geschlechtergerechte Sprache (das sogenannte ‚Gendern‘) verboten werden sollte oder nicht. Einzelne Bundesländer verbieten in bestimmten öffentlichen Bereichen die Verwendung geschlechtergerechter Sprache, Petitionen gegen ihre Verwendung werden gestartet, rechte Gruppen und Sprachvereine kritisieren lautstark und medienwirksam alle Formen der Verwendung geschlechtergerechten Sprache. Ein Argument ist in der Regel, dass wir geschlechtergerechte Sprache gar nicht brauchen würden, denn sie würde Sprache unnötig sexualisieren. Immerhin gäbe es doch das ‚generische Maskulinum‘, das alle Geschlechter mit meint.

Auf der Intersetseite des Verein für deutsche Sprache heißt es beispielsweise: “ „Der ‚Engel‘ ist per Definition geschlechtslos, ein ‚Schelm‘ kann genauso eine Frau sein wie eine ‚Dumpfbacke‘ ein Mann“, erklärt Krämer, „die vom Duden betriebene Zwangs-Sexualisierung der deutschen Sprache widerspricht den Regeln der Grammatik sowie dem allgemeinen Sprachgebrauch.“ Engel und Schelm werden als Beispiele für sogenannte generische Maskulina angeführt. Aber was steckt eigentlich hinter diesem Begriff?

In der öffentlichen Diskussion wird der Begriff ‚generisches Maskulinum‘ gerne verwendet, aber häufig mit fehlender sprachwissenschaftlicher Präzision. Um aber entscheiden zu können, aber die Argumente bezüglich des ‚generischen Maskulinums‘ sprachwissenschaftlich haltbar sind oder nicht, muss dieser Begriff auch auf ein solides wissenschaftliches Fundament gestellt werden. Oft genug habe ich es in Diskussionen mit ‚Genderkritikern‘ erlebt, dass einerseits den Verfechter*innen der Verwendung geschlechtergerechter Sprache falsche Unterstellungen bzgl. des maskuliner Nomen gemacht werden („Ihr sagt, dass das Nomen Richter sich nur auf Männer beziehen kann“), anderseits treffen die Argumente, die zur Verteidigung eines ‚generischen Maskulinums‘ vorgebracht werden, oftmals das Thema nicht. Also: was ist denn das vermeintliche ‚generische Maskulinum‘ und was ist das damit verbundene Problem?

Unter einem ‚generischen Maskulinum‘ werden Nomen, die grammatikalisch maskulin sind (d.h., dem Genus ‚Maskulin‘ angehören) und ‚generisch‘ – also ganz generell – referieren, verstanden. Ein Beispiel ist Der Richter betrat den Raum. Das Nomen Richter ist maskulin. Das Genus eines Nomens erkennen wir im Deutschen nur in seinem grammatikalischen Verhalten. Relevant ist die sogenannte Kongruenz. Wenn wir die Nomen Richter, Katze, Fahrzeug vergleichen, dann sehen wir, dass sie unterschiedliche Endungen beim definiten Artikel (d-er Richter, d-ie Katze, d-as Fahrzeug) verlangen. Ebenso aber auch beim indefiniten Artikel und beim Adjektiv (ein groß-er Richter, ein-e groß-e Katze, ein groß-es Fahrzeug).

Genus ist eine grammatikalische Klassifikation von Nomen und eine Streitfrage ist, ob das Genus vom Sexus des nominalen Referenten abhängt. Mit ‚maskulin‘ ‚’feminin‘, ’neutrum’‘‘ beziehen wir uns auf unterschiedliche Werte einer grammatikalischen Kategorie. ‚Männlich‘ und ‚weiblich’‘‘ – wenn wir einfach einmal binär verbleiben – repräsentieren Werte der Kategorie Sexus. Das Sexus ist keine Eigenschaft des Nomens – anders als Genus –, sondern eine Eigenschaft des Referenten des Nomens. Der Referent ist der oder das, worauf sich das Nomen in der Welt bezieht. Nicht alle Dinge in der Welt haben ein Sexus. Ein Tisch ist weder männlich noch weiblich, ebenso eine Tasse. Entsprechend ist klar, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem nicht-vorhandenen Sexus der Referenten von Tisch und Tasse und dem Genus der Nomen geben kann. Sexus spielt nur für einen Teilbereich der Nomen eine Rolle und zwar für die Nomen, deren Referenten belebt sind. Aber auch da spielen nicht alle Nomen eine Rolle, denn das Geschlecht vieler Tiere ist und (sprachlich) vollkommen egal. Relevant ist der Teilbereich derjenigen Nomen, die sich auf Menschen, höhere Säugetiere und Nutztiere bezieht.

Richter ist nun ein Nomen, das menschliche Referenten hat. Die Annahme eines ‚generischen Maskulinums‘ sagt nun aus, dass Der Richter betritt den Raum bedeuten kann, dass auch ein weiblicher Richter den Raum betritt. Dem muss man nicht widersprechen. Die Frage ist nicht, was das Nomen Richter bedeutet, sondern wie es im Kontext verstanden wird.

In der Semantik, dem Teilbereich der Sprachwissenschaft, der sich mit Bedeutung auseinandersetzt, sagt man, dass das Nomen Richter ‚konzeptuell unterspezifiziert‘ ist. Es bedeutet: ‚eine Person, die den Richterberuf ausübt‘. Das ist soweit damit kompatibel, dass der Satz Der Richter betrat den Raum bedeuten kann, dass ein männlicher Richter oder eine weibliche Richterin den Raum betrat.

Richterin ist dagegen ein Nomen mit einer spezifischeren Referenz, denn es bedeutet: ‚weibliche Person, die den Richterberuf ausübt‘. Damit referiert Richterin nur auf Frauen und der Satz Die Richterin betrat den Raum kann auch nur bedeuten, dass eine weibliche Richterin den Raum betrat.

Dadurch, dass Richter konzeptuell unterspezifiziert ist – dieser Begriff ist gegenüber ‚generisch‘ zu bevorzugen, da adäquater – muss im Kontext interpretiert werden, wer der Referent von Richter sein kann. Wenn wir in einem Gerichtsaal sitzen und eine Person in schwarzer Robe durch die neben dem Richtertisch befindliche Tür den Raum betritt, dann ist klar, auf wen sich Richter bezieht: auf die Person, die gerade den Raum betrat. Wir besitzen in diesem Fall visuelle Evidenz, die es uns erlaubt, die Referenz des Nomens eindeutig zu bestimmten und damit die konzeptuelle Unterspezifikation aufzulösen. ‚Konzeptuelle Unterspezifikation‘ bedeutet also, dass ein sprachlicher Ausdruck nicht vollkommen spezifiziert ist. Im Fall von Richter gibt es keine in der Bedeutung des Nomens verankerte Geschlechtsspezifikation. Anders, wie gesagt, bei Richterin, da das -in das Geschlecht des Referenten eindeutig auf ‚weiblich‘ festlegt.

Was machen wir aber, wenn wir keine solchen Hinweise haben? Wenn wir in der Zeitung beispielsweise lesen Drei Richter wurden der Bestechung angeklagt? Der Satz kann bedeuten ‚drei Personen, die den Richterberuf ausführen, wurden der Bestechung angeklagt‘. Dies wäre die Lesart, die in der Diskussion gerne als ‚generisch‘ bezeichnet wird. Es kann aber auch bedeuten ‚drei männliche Personen, die den Richterberuf ausführen, wurden der Bestechung angeklagt‘. Die Interpretation, dass es sich um drei weibliche Personen handelt, ist auch möglich. Da wir aber eine spezifische Form haben, die die Referenz auf weibliche Personen erlaubt, ist dies zwar möglich, aber die sprachlich nicht präferierte Form.  

Der Streit um das sogenannte ‚generische Maskulinum‘ zielt auf die Interpretation von Nomen wie Richter ab und nicht auf ihre Bedeutung. Diejenigen, die sich für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache einsetzen, sagen, dass Drei Richter wurden der Bestechung angeklagt tendenziell als ‚drei männliche Richter‘ interpretiert wird. Diejenigen, die sich für die Verwendung des ‚generischen Maskulinums‘ und die Ablehnung geschlechtergerechter Sprache aussprechen, argumentieren, dass Drei Richter wurden der Bestechung angeklagt tatsächlich ‚drei bezüglich ihres Geschlechts nicht näher spezifizierte Richter‘ bedeutet. Es geht also darum, wie Menschen einen solchen Satz interpretieren. Damit bewegen wir uns nicht auf der Ebene der Wortbedeutung, sondern auf der Ebene der Interpretation eines Nomens im Satzkontext.  

Die Interpretation ist durch verschiedene Faktoren beeinflusst, unter anderem durch den sprachlichen Kontext (welche anderen sprachlichen Formen werden noch verwendet), aber auch durch unser Weltwissen. Zum Weltwissen gehören bestimmte Erfahrungen, die wir gemacht haben. Wenn ich die Erfahrung habe, dass nur Männer Fußball spielen, dann interpretiere ich Der Fußballer brach sich ein Mann eher als ‚der männlicher Fußballer‘. Eine geschlechtsunspezifische Interpretation ist dann wenig naheliegend (obwohl möglich). Aber auch Geschlechterstereotype spielen bei der Interpretation eine Rolle. Es gibt gesellschaftlich kolportierte Geschlechtervorurteile, etwa ‚Männer sind mutig und Frauen hübsch‘. Solche Adjektive können zum Beispiel einen Einfluss auf die Interpretation haben. Wer mag sich wohl – und warum – eher von den folgenden fiktiven Stellenausschreibungen angesprochen fühlen? Welche Personen würden Sie hinter den bezeichneten Stellen eher erwarten: Männer, Frauen, egal?Suchen einen mutigen Mitarbeiter für die Nachtschicht‘ versus Suchen hübschen Mitarbeiter für die Nachtschicht.

Aber auch Grammatik wirkt sich auf die Interpretation auf. Nomen, deren Referenten männlich sind, sind tendenziell Maskulina. Ausnahmen sind in diesem Bereich kaum vorhanden. Nomen, deren Referenten weiblich sind, tendieren dazu Feminina zu sein. Das bekannte Gegenbeispiel Mädchen ist gut erklärbar, denn Diminutiva (Nomen, die mit -chen oder -lein enden) sind immer Neutra (das Richterlein, das Männchen). Trotzdem können wir beobachten, dass auch Mädchen als feminines Nomen behandelt wird. Wenn wir einen Satz wie Ein Mädchen klingelte an der Tür haben, dann können wir als Pronomen sowohl es (Es hatte lange Haare)oder sie (Sie hatte lange Haare) verwenden.Die Verwendung von es ist grammatikalisch motiviert, die von sie semantisch (der Referent ist weiblich).

Da wir eine Tendenz sehen, dass männliche Referenten durch maskuline Nomen bezeichnet werden, nutzen wir dies auch beim Interpretieren: Der Nomen ist maskulin, also dürfte der Referent männlich sein. Interpretieren ist ein Prozess, der der Hörerende vornimmt. Basierend auf dem, was der Sprechende von sich gibt, stellt der Hörende bestimmte Schlussfolgerungen an. Zum Beispiel: Was bedeutet denn das konzeptuell unterspezifizierte Nomen Richter in dieser konkreten Äußerung? Der Hörende nimmt die Evidenz, die er hat, ergänzt sie durch das vorhandene Weltwissen und stellt dann eine Schlussfolgerung an. Da das Weltwissen zwischen Personen variieren kann, können diese auch zu unterschiedlichen Interpretationen kommen. Will ein Sprechender den Hörerenden möglichst gut anleiten, sodass keine Fehlinterpretation zustande kommt, dann sollte eine möglichst präzise Formulierung verwendet werden. Die konzeptuelle Unterspezifikation sollte vom Sprechenden bereits aufgelöst sein. Unterspezifikation lädt zur Interpretation ein.

Wenn es um die Verwendung des sogenannten ‚generischen Maskulinums‘ geht, dann geht es also nicht darum, was ein Nomen an sich bedeutet, sondern wie ein Nomen in einem spezifischen Äußerungskontext von einem bestimmten Hörenden interpretiert wird. Die Forschung hat in verschiedenen Studien herausgearbeitet, welche Faktoren auf die Interpretation einwirken, aber auch, dass die Interpretation nicht generell geschlechtsunspezifisch bei ‚generischen Maskulina‘ ist. Sie lassen sich zwar generisch interpretieren, müssen es aber nicht. Und da liegt das zentrale Problem: Für einige Menschen ist geschlechtsspezifische Interpretation in verschiedenen Kontexten dominierend und dies führt zu Konsequenzen. Passiert dies im Bereich der Berufsbezeichnungen, dann können dadurch bestimmte Stereotype ausgebildet, bzw. verstärkt (Richter sind immer männlich) und zugleich Frauen von der Bewerbung auf bestimmte Stellen abgehalten werden.

Die Semantik kennt eine Unterscheidung zwischen der lexikalischen Bedeutung eines Ausdrucks (‚Ausdrucksbedeutung‘) und seiner Äußerungsbedeutung. Während Richter als lexikalische Bedeutung etwa ‚Person (unspezifischen Geschlechts), die den Richterberuf ausübt‘ hat, stellt die Äußerungsbedeutung die konkrete Interpretation im sprachlichen Kontext dar. Die Diskussion um das ‚generische Maskulinum‘ betrifft die Äußerungsbedeutung maskuliner Nomen (mit belebten Referenten) und nicht ihre lexikalische Bedeutung. Den Streit um das ‚generische Maskulinum‘ lösen wir nicht, indem wir uns über Regeln der Genuszuweisung, die historische Grundlage des Genussystems oder die Bedeutung von Wortbildungsmorphemen streiten, sondern in dem wir die Interpretation von Sprache in konkreten Äußerungskontexten untersuchen. Es geht also darum zu untersuchen, ob es Muster in der subjektiven Interpretation von Nomen in Äußerungskontexten gibt. Wenn ja, welche Interpretation? Und zugleich kann die Frage gestellt werden, ob es irgendwelche weiteren Merkmale (zum Beispiel Geschlecht der interpretierenden Person, Alter, Bildungsstand, Ausdrücke im sprachlichen Kontext) Einfluss auf die Interpretation haben.

Somit ist nun auch klar, wie das vermeintlich ‚generische Maskulinum‘ untersucht werden sollte: experimentell. Wir müssen schauen, wie Menschen in konkreten Äußerungen interpretieren. Aussagen wie ‚Richter ist generisch, denn das Nomen kann sich ja auf Frauen beziehen‘ sind nicht per se falsch, tragen aber nichts zur eigentlichen Diskussion – der Interpretation des Nomens in konkreten Äußerungskontexten – bei. Damit ist auch klar, welche Argumentationen bezüglich des vermeintlich ‚generischen Maskulinums‘ am eigentlichen Thema vorbeigehen und daher in der Debatte um die Verwendung geschlechtergerechte Sprache kein größeres Gewicht bekommen sollten. Im öffentlichen Diskurs finden sich viele lautstarke Gegner*innen geschlechtergerechter Sprache, deren Argumente den Kern der Sache – die Äußerungsbedeutung von Nomen – nicht trifft. Daher ist es umso wichtiger, dass die linguistischen Grundlagen rund um diese Debatte verstanden sind, damit jede*r in der Lage ist die Qualität der jeweils vorgebrachten Argumentationen einschätzen zu können. Nur auf dieser Grundlage können solide wissenschaftliche Argumentationen von ideologischen Argumentationen unterschieden werden. 

Anmerkung: Dieser Beitrag enthält keine Verweise auf relevante Fachliteratur, gerne kann ich Referenzen zur Verfügung stellen. Bei Interesse einfach eine Email schreiben oder einen Kommentar hinterlassen. Einige Literaturverweise möchte ich an dieser Stelle aber doch (nach und nach) angeben:

Bezüglich des Themas ‚konzeptuelle Unterspezifikation‘ finde ich den Aufsatz Sense Individuation von Dirk Geeraets hilfreich (Geeraets, Dirk. 2015. Sense Individuation. In Nick Riemer (Hrsg.). The Routledge Handbook of Semantics, S. 233-247. Milton Parc: Routledge. )

Ausflug nach Potsdam

Wieder einmal der Verein für deutsche Sprache und die Neue Rechte

In Potsdam trifft sich die Neue Rechte und plant die Migration von allen, die ihr nicht passt. Mittendrin sitzt Silke Schröder, Vorstandsmitglied im Verein für deutsche Sprache (VdS). Frau Schröder ist nicht zufällig dort, denn alle Anwesenden wurden exklusiv eingeladen. Correctiv hat dieses Treffen beschrieben und in die Öffentlichkeit gebracht.

Es fiel dann schnell auf, dass der VdS im Zusammenhang mit diesem Remigrationstreffen genannt wird, sodass der Verein reagieren musste. In einer Stellungnahme des VdS heißt es, dass sich der Verein von den privaten Tätigkeiten seines Vorstandsmitglieds distanziere und diese weder mit dem Verein abgesprochen oder von diesem initiiert oder autorisiert worden wäre.

Der VdS distanziert sich also von der Teilnahme Frau Schröders an dem Treffen, er distanziert sich aber nicht von Frau Schröder. Außerdem will er Verein nichts davon gewusst haben, dass Frau Schröder an diesem Treffen teilnehmen will. Das mag sein, das Gegenteil lässt sich auch nicht beweisen. Dass aber Frau Schröder unter anderem das Thema Remigration verfolgt, hätte dem Verein bekannt sein können. Silke Schröder hat mehrere Kolumnen beim Deutschland-Kurier geschrieben, bzw. gesprochen. Der Deutschland-Kurier gilt als AfD-nahe und versammelt zahlreiche Autoren aus dem rechtspopulistischen und rechtsextremen Spektrum als Autor*innen, bzw. Kolumnist*innen. Darunter sind zahlreiche AfD-Politiker, Erika Steinbach, Johannes Schüller (der als Mitbegründer der Identitären Bewegung in Deutschland gilt; hier) und Personen, die auch für die Junge Freiheit – einem weiteren rechten Blatt – schreiben. Auf der Kolumnenseite von Frau Schröder heißt es u.a. „Wir brauchen eine robuste Remigrations-Kampagne, damit unsere Heimat und der am höchsten entwickelte Kontinent nicht einem fürchterlichen Niedergang anheimfallen“. Die Seite datiert auf den 17. November 2023, rund eine Woche vor dem Remigrationstreffen in Potsdam.

Ob irgendwer im Verein von diesen privaten Tätigkeiten des Vorstandsmitglieds Schröder wusste? Ob irgendwer über ihre Videos auf YouTube gestolpert ist? Wer weiß! Dass der VdS vollkommen unwissend ist, wäre glaubhaft, wenn Frau Schröder ein Einzelfall wäre. Im VdS finden sich aber auch andere Mitglieder, die eine offizielle Position – Gruppenleiter – einnehmen und klar der Neuen Rechten angehören. Über den AfD-Politiker Martin Louis Schmidt und den offiziell zu den Grünen gehörenden Rolf Stolz hatte ich bereits an anderer Stelle geschrieben (hier und hier). Kurz zu Stolz, da die AfD-nähe ja schon durch Frau Schröder belegt ist. Stolz ist für das Magazin Compact aktiv, das der Verfassungsschutz unter der Rubrik „Rechtsextremistische Akteure der Neuen Rechten und Verdachtsfälle“ im Verfassungsschutzbericht 2022 aufgeführt.

Stolz, Schmidt und Schröder sind aber nicht die einzigen Mitglieder des VdS, die rechtslastig sind. Der erste Vorsitzende des Vereins – Prof. Dr. Walter Krämer – hat in einem Interview mit der Jungen Freiheit – das rechte AfD-nahe Publikationsorgan, das oben bereits erwähnt wurde – gegen grüne Ideologie gewettert.  Über Krämer wird immer wieder einmal gesagt, dass es eine Nähe zur AfD und zur Neuen Rechten aufweise (z.B. hier), selbst stellt er dies anders dar. Unter anderem findet sich die Behauptung, dass er in der FDP sei, aber Rolf Stolz ist auch bei den Grünen und trotzdem in der Neuen Rechten verankert. Egal…

Zum Vorstand gehört auch Prof. Dr. Bruno Klauk, der durch eine Studie zu Intelligenz von Migranten einige Bekanntschaft erzielte. Wer ein wenig recherchiert stellt fest, dass diese Studie als durchaus ‚umstritten‘ bewertet wurde. Der Artikel wurde unter anderem als „rechtspopulistische Hetze“ bewertet und in Folge der entstandenen Kontroverse traten vier von fünf Herausgebern zurück. Wer verteidigte den Artikel und attestierte ein methodisch sauberes und den Gepflogenheiten des Fachs entsprechendes Vorgehen? Walter Krämer (Dazu: hier). Zusätzlich scheint Klauk durchaus Interesse an der Jungen Freiheit zu haben, wie Wirtschaftspsychologie Heute berichtet (https://www.wirtschaftspsychologie-heute.de/ideologisch-gekapert-der-klauk-eklat-bei-der-zeitschrift-wirtschaftspsychologie/). Die Junge Freiheit? Da war in den 90er Jahren übrigens Martin Louis Schmidt Chefredakteur.  

Ein weiteres Vorstandsmitglied ist Sabine Mertens, die ebenfalls eine umstrittene Person ist. Als Sprecher der „Initiative gegen Gendersprache“ trat Mertens von ihrem Posten zurück. Ihre Begründung dazu: harte Angriffe gegen sie. Von ihr waren Äußerungen wie „Wenn wir jetzt alle schwul, lesbisch oder trans werden sollen, ist die Evolution zu Ende“ zu hören und bezeichnete geschlechtergerechte Sprache als PR-Maßnahme der LGBTQ-Bewegung (hier). Als Sprecher der oben genannten Initiative wies Sabine Mertens zwar die AfD zurück, aber ihre Äußerungen weisen schon gewisse Parallelen zu dem auf, was im Compact Magazin zum Thema ‚Gender(n)‘ zu lesen ist. Mertens äußert sich jedoch um einiges moderater und das, obwohl sie sich für homophobe Äußerungen entschuldigen musste.  

Eine weitere Dame in VdS-Vorstand ist Regien Stephan. Wer ihren bei der Suchmaschine Google eingibt, wird direkt fündig: Die Dame ist Mitglied der AfD im Kreis Siegen-Wittgenstein. Dort ist sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Kreistag.

Im Verein für deutsche Sprache und insbesondere dessen Vorstand sind somit einige Personen versammelt, die politisch eher rechts zu verorten sind. Dem Verein kann somit zumindest auf Ebene der offiziellen Vereinsvertreter eine gewisse Affinität zu rechtspopulistischen, teilweise auch rechtsextremen Positionen attestiert werden. Heißt das nun, dass Frau Schröders Privataktivitäten wirklich ganz privat sind und im Verein nicht bekannt waren? Nein, das heißt es nicht. Es erklärt aber, warum sich der Verein zwar von Frau Schröders Aktivität, nicht aber von ihr distanziert.

Der Verein für deutsche Sprache scheint die Causa Schröder aber recht ernst zu nehmen. Normalerweise reagiert der VdS nicht auf kritische Nachfragen und wenn, dann polemisch. Die Reaktion auf die zahlreichen Kommentare zur Teilnahme von Frau Schröder an dem Potsdamer Treffen hat der Verein mit dem Posting der immer gleichen Stellungnahme – identisch auf der Homepage – reagiert. Eine Reaktion und ganz ohne Polemik. Der VdS scheint zu merken, dass diesmal nicht mit Ignoranz oder Polemik weiterzukommen ist.    

Die Aufmerksamkeit, die auf den Verein gelenkt wurde, könnte nun dazu führen, dass einige Unterstützer*innen des Vereins ihre Unterstützung noch einmal überdenken.

Der VDS und die Neue Rechte

„Warum wird eigentlich jeder, der sich gegen Gendern ausspeicht, sofort in die rehte Ecke gestellt?“, so oder zumindest so ähnlich findet sich diese Frage derer, die sich gegen Gendern aussprechen, immer wieder. Sicherlich gehört nicht jede Person, die sich gegen den Gebrauch geschlechtersensibler Sprache ausspricht, in die rechte Ecke. Aber sehr häufig kommt die Kritik am Gendern aus genau dieser Richtung, etwa von der AfD oder dem rechtskonservativen CDU-Politiker Christopher Ploß.

In der gesamten Debatte rund um das Thema Gendern mischt auch der Verein für deutsche Sprache (VDS) mit. Stefan Hartmann – Juniorprofessor für germanistische Sprachwissenschaft – attestiert dem VDS auf www.volksverpetzer.de eine rechtspopulistische Agenda. Damit ist schon vieles gesagt, ein bisschen lässt sich aber noch hinzufügen.

Auf der Homepage des VDS gibt es die Rubrik ‚Arbeitsgruppen‘, darin die Unterkategorie ‚Deutsch in der Politik‘. Für einzelne Parteien werden Positionen zu sprachpolitischen Themen wiedergegeben, die jedoch nicht die offizielle Position der Partei ist, sondern die der jeweiligen Gruppenleiter. Dieser Gruppenleiter sind – so wie ich das überblicke – Mitglieder der jeweiligen Parteien und zugleich Mitglied beim VDS.

Gruppenleiter für die AfD ist Martin Louis Schmidt, der für die AfD Mitglied im Landtag von Rheinland-Pfalz ist. Was schreibt Schmidt auf dieser Seite des VDS? Die Grundidee, die vertreten wird, ist, dass die deutsche Sprache durch das Grundgesetzt geschützt werden muss. Es wird gegen eine falsch verstandene Internationalisierung gewettert, womit der Gebrauch des Englischen an z.B. deutschen Universitäten abgelehnt wird. Außerdem wird sich gegen das „Gender Mainstreaming“ ausgesprochen, das „im Rahmen eines undemokratischen familienfeindlichen Gesellschaftsexperiments stattfindet. Die mit der teilweisen Leugnung der biologischen Geschlechter zugunsten sogenannter ’sozialer Geschlechter‘ einhergehenden begrifflichen und grammatikalischen Kunstgriffe sind in unseren Augen nicht zuletzt sprachästhetische Vergewaltigungen“.

Schmidts Textchen ist eine Paradebeispiel des Rechtspopulismus. Neben seiner Tätigkeit als Politiker ist Schmidt auch journalistisch tätig und war in den 1990er Jahren stellevertretender Chefredakteur der Jungen Freiheit, einer Zeitung der Neuen Rechten. Nicht nur das ein prominentes Mitglied der Neuen Rechten Mitglied beim VDS ist, der VDS duldet auch offensichtlich rechtspopulistische Positionen auf seiner eigenen Homepage.

Sieht es denn vielleicht bei anderen Parteien – sagen wir den Grünen – besser aus? Für die Grünen ist der Mitbegründer der Grünen Rolf Stolz der entsprechende Gruppenleiter beim VDS. Inhaltlich geht es bei Stolz vor allem darum, dass der Ressortleiter die Vermischung von Deutsch und Englisch ablehnt. „Gehirnwäsche per ‚Greeenwashing‘ (sic!) und ‚Veggie Day‘ – nein danke!“, ist auf der Homepage zu lesen.

Stolz, der sich selbst wohl als links ansieht, gehört doch irgendwie auch der Neuen Rechten an. Nicht nur ist er als Autor für die Neue Freiheit aktiv, sondern auch für das Magazin Compakt, das der Verfassungsschutz als ‚gesichert rechtsextrem‘ einstuft. Somit gibt es ein zweites Mitglied der Neuen Rechten, die im VDS aktiv ist und das nicht nur als Gruppenleiter sondern auch als Referent (für was eigentlich?).

Klar, nicht jede Person, die sich gegen Gendern ausspricht, ist rechts. Aber wer in seinen Reihen Vertreter – hier verwende ich bewusst die maskuline Form – der Neuen Rechten operieren lässt, der muss sich zumindest denn Vorwurf gefallen lassen, dass eine Abgrenzung nach rechts zumindest nicht erfolgt. Aber nicht nur das, der VDS bietet der Neuen Rechten ein Forum, dem viele Menschen, die sich wahrscheinlich sonst von der Neuen Rechten abgrenzen würden – Hape Kerkeling, Dieter Hallervorden – , einen bürgerlichen Anschein geben.

Wenn sich der VDS nicht von der Neuen Rechten abgrenzt, dann sollten sich die Mitglieder des VDS von diesem Verein abgrenzen, wenn sie nicht mit in die rechte Ecke gestellt werden wollen.

Nachtrag 30.05.2023: Rolf Stolz ist seit längerem bei den Grünen umstritten, wie schön in diesem Artikel der TAZ nachzulesen ist.

‚Leichte Sprache‘ ist eine Verunglimpfung des Deutschen

Über den VDS und dessen unklarer Position zur ‚Leichten Sprachen‘

Der VDS – Verein für deutsche Sprache – ist ein in Dortmund ansässiger Verein, der sich die Pflege der deutschen Sprache zum Ziel gesetzt hat. Insbesondere fällt der Verein durch seinen Einsatz gegen die Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Verwaltung, Schulen und Medien auf. Der VDS ist aber kein One-Hit-Wonder sondern in verschiedenen Bereichen aktiv. Aber irgendwie ist nicht immer klar, welche Position der Verein nun vertritt. Dies wurde bei einer kleinen Auseinandersetzung zum Thema ‚Leichte Sprache‘ deutlich.

‚Leichte Sprache‘ ist eine künstliche Varietät des Deutschen. Die Zielsetzung hinter der Verwendung dieser Varietät ist eine barrierefreie Kommunikation. ‚Leichte Sprache‘ ist im Hinblick auf die Grammatik vereinfacht und es gibt konkrete Gebrauchsvorschläge, die unter anderen die Komplexität von Sätzen und die Typographie geschriebener Sprache betreffen.

Auf den Seiten des VDS-Region Dresden steht zum Thema ‚Leichte Sprache‘:

Wir versuchen, immer mehr Menschen auf die wachsende Verunglimpfung der deutschen Sprache durch die „politisch-korrekte“ Gendersprache und die sogenannte Leichte Sprache aufmerksam zu machen, denn dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden.   

(https://vds-ev.de/regionale-infoseiten/infoseite-region-01/)

‚Leichte Sprache‘ wird als Verunglimpfung der deutschen Sprache bezeichnet und steht auf einer Ebene mit dem ultimativen Bösen – der ‚Gendersprache‘. Würde mensch vermuten, dass der VDS positiv zum Thema ‚Leichte Sprache‘ eingestellt ist? Vermutlich nicht. Davon bin ich auch nicht ausgegangen und fragte den VDS via Twitter, wieso sie gegen ‚Leichte Sprache‘ stellen. Anlass war folgender Tweet des VDS:

Wer nicht gendert, ist verdächtig. Weil man automatisch rückwärtsgewandt sein muss, wenn man auf eine verständliche Sprache Wert legt. So zumindest die Logik der Genderbefürworter, die im Denunziantentum den neuen Heilsbringer sehen.

(https://twitter.com/VDS_weltweit/status/1638180895835279361?s=20)

Wenn also Gendern aufgrund von Verständlichkeit abgelehnt wird, sollte mensch doch die Verwendung leichter Sprache nicht auch ablehnen können. Denn immerhin geht es dabei doch um Verständlichkeit. Der VDS reagierte irritiert und fragte, wie ich denn auf so eine Idee käme. Nachdem ich den Hinweis auf die Webseite des VDS-Region Dresden gepostet hatte, kam als Antwort:

Besser googeln lernen. Leichte Sprache dort, wo sie Menschen hilft, die die            Normsprache überfordert. Den ersten Link zur Suche hast du vermutlich nur „übersehen“. Aber schön, dass dir nicht langweilig mit uns wird.

(https://twitter.com/VDS_weltweit/status/1638426808801525762?s=20)

Unterstellt mir der VDS, dass ich absichtlich etwas Entlastendes übersehen hätte? Die Anführungszeichen legen es zumindest nahe. Sehen wir uns einmal an, worauf der VDS da verweist. Unter folgendem Link, der zu dem Tweet gehört, findet sich ein Artikel aus der Vereinszeitung des VDS: https://t.co/hhxfRVQhus. In den Sprachnachrichten (so der Name der Vereinszeitung) aus dem Jahr 2015 hatten Gloria Nsimba und Reiner Pogarell einen Artikel mit dem Titel „Leichte Sprache – der Rollstuhl unter den Ausdrucksformen“ veröffentlicht. Unabhängig davon, was in dem Artikel steht, es ist nur ein Artikel in der Vereinszeitung des VDS. Es ist keine öffentliche Verlautbarung des VDS.

Mir stellt sich die Frage, ob denn nun die Autor*innen offiziell für den VDS sprechen oder nicht? Es erscheint mir nicht unmittelbar evident, dass ein Beitrag zweier Autor*innen als die offizielle Position des VDS angesehen werden kann, während ein offizielles Statement auf einer VDS-Seite dies nicht ist. Aber gut, nachfragen kann mensch ja. Ich habe mehrfach den VDS gefragt, ob denn nun Nsimbas und Pogarells Beitrag die offizielle Position des VDS darstellt und wenn ja, ob dies auch der VDS-Region Dresden weiß. Der VDS wollte darauf nicht wirklich antworten, irgendwann kam die genervte Antwort:

Du hast vor 3 Tagen eine Antwort dazu bekommen. Wenn dir immer noch langweilig ist, rede mit dir oder anderen übers Klima.

(https://twitter.com/VDS_weltweit/status/1639632618760159232?s=20)

Drei Tage zuvor kam aber nur der Verweis auf den Artikel in der Vereinspostille. Anscheinend wurde meine Nachfrage beim VDS nicht verstanden. Noch einmal zur Erklärung: Die Autor*innen eines Artikels sind für den Artikel verantwortlich und die Aussagen, die in dem Artikel gemacht werden, sind ihnen zuzuordnen. Die Autor*innen des vom VDS verlinkten Artikels sind Nsimba und Pogarell und mit keinem Wort steht dort, dass sie für den VDS sprechen oder in irgendeiner Form die Sicht des Vereins darlegen. Anders sieht es aus, wenn eine Webseite ganz offiziell dem VDS zuzuordnen ist. Die Seite der VDS-Region Dresden stellt eine Unterseite der VDS Webseite dar und sollte somit durchaus einen offiziellen Status haben!

Damit bleibt eigentlich nur eine Schlussfolgerung übrig: die einzige offizielle Äußerung des VDS zur ‚Leichten Sprachen‘ ist negativ und beschreibt diese als ‚Verunglimpfung der deutschen Sprache‘. Damit widerspricht sich der VDS selbst. Die Darstellung in den Tweets passt nicht zu der Darstellung auf der Webseite. Der VDS hätte die Chance gehabt dies als Antwort auf meine Tweets anders darzulegen, aber diese Chance wurde nicht genutzt. Es wäre sicherlich sinnvoll, wenn die für die öffentliche Darstellung verantwortlichen Personen sich einmal mit dem Thema ‚Autorenschaft‘ auseinandersetzen.

Der Verein für deutsche Sprache ist nicht an einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Position interessiert. Es ging nicht einmal wirklich um eine Diskussion inhaltlicher Fragen sondern nur darum, welche Äußerungen des VDS unmittelbar zugeordnet werden können und welche nicht. Leider hat der VDS nicht verstanden und tut so als würden Beiträge irgendwelcher Autor*innen mehr für sie sprechen als offizielle Äußerungen auf der VDS-Seite.

Die Diskussion entlarvt sehr schön, dass ‚Verständlichkeit‘ nur ein vorgeschobenes Argument gegen Gendern darstellt. Dem VDS geht es nicht um eine verständliche (inklusive) Sprache, sondern um ein Deutsch im Sinne des Vereins. Das ist ein Deutsch ohne ‚Denglisch‘, ohne ‚Gendersprache‘ und ohne ‚Leichte Sprache‘.

Aber vielleicht ist der VDS ja wirklich nicht gegen ‚Leichte Sprache‘? Dann wäre es aber auch gut, wenn dies und nicht das Gegenteil auf dem Internetseite des VDS zu lesen wäre. Ein Tipp lieber VDS: vielleicht sucht ihr auch einmal das Gespräch mit eurer Regionalgruppe in Dresden, da ist eventuell noch Überzeugungsarbeit hinsichtlich der Akzeptanz leichter Sprache zu leisten.

Nachtrag 30.05.2023: Ich nerve und nerve den VDS, aber was passiert? Nix! Der VDS weigert sich auf die Kritik einzugehen und tritt weiterhin mit dem Argument auf, dass Gendern zu komplex sei und Menschen, die es nötig hätten, durch Gendern ausgeschlossen werden würden. Vielleicht trifft das Argument zu, aber es ist schal, wenn es von einem Verein kommt, der Leichte Sprache ablehnt. Der VDS schweigt zu dieser Kritik hartnäckig, ob das wohl als Eingeständnis dafür, dass die Kritik absolut zutreffend ist, gewertet werden kann?

Nachtrag 23.02.2024: Bislang habe ich keine Reaktion des VDS bezüglich meiner wiederholten Anfrage, warum denn der Verein geschlechtergerechte Sprache ablehnt, da dies vermeintlich zu komplex sei, zugleich aber ein Statement des Vereins kursiert, in dem Leichte Sprache abgelehnt wird. Mittlerweile ist das entsprechende Zitat, wie auch die Präsenz des Ortsverbandes Dresden, nicht mehr online. Über die Gründe kann ich nur spekulieren, immerhin ist ja in der Zwischenzeit so einiges geschehen, was auch den VDS in die Öffentlichkeit rückte. Vielleicht waren solche Äußerungen einfach nicht mehr passend? Egal, denn über das obige Zitat hat bereits Gerd Antos in seinem Aufsatz Ist der Laie der Dumme? geschrieben (Gerd Antos. 2021. Ist der Laie der Dumme? In Toke Hoffmeister, Markus Hundt & Saskia Naths (Hrsg.). Laien, Wissen, Sprache, S. 25-48. Berlin: De Gruyter). Es ist also nicht aus der Welt geschaffen…

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Der Richter ist schon wieder schwanger

Wie generisch ist das Maskulinum?

Der Satz Der Richter kam zu spät, er musste zuerst noch seinen Hunger stillen ist nicht weiter ungewöhnlich. Dennoch gibt es Streit darüber, was er bedeutet. Konkret geht es um das Nomen Richter. Bezieht sich Richter nur auf Personen männlichen Geschlechts oder können mit dem Nomen Männer und Frauen gemeint sein? Letztere Idee steht hinter der Hypothese des sogenannten ‚generischen Maskulinums‘. Diese besagt konkret: maskuline Nomen zur Personenbezeichnung beziehen sich nicht nur auf Männer, sondern auch auf Frauen. Diese Hypothese muss etwas eingeschränkt werden, es geht dabei natürlich nur um Nomen, die nicht aufgrund ihrer Bedeutung nur Männer meinen, zum Beispiel die Nomen Mann, Vater oder Opa. Nomen, die keine Personen bezeichnen (der Ball, der Sturm, der Winter) sind von der Hypothese ebenfalls ausgeschlossen, da Geschlecht (oder auch Sexus) eine Eigenschaft belebter Individuen ist.

Ist es möglich mit Richter Männer und Frauen bezeichnen? Natürlich scheint es möglich zu sein, aber fühlen sich Frauen davon auch angesprochen. Aber vielleicht ist das ’natürlich scheint es möglich zu sein‘ auch etwas übereilt. Wie sieht es denn mit dem Satz Der Richter kam zu spät, er musste zuerst noch sein Baby stillen aus? Dass er seltsam klingt liegt an der Kombination aus er und Baby stillen. Ein Baby stillen bedeutet, dass Baby über die Brust mit Muttermilch füttern. Männer können das nicht.

Wäre Richter eine wirklich generische Form – im Sinne dessen, dass das Nomen Bezug auf Personen jeglichen Geschlechts erlaubt – , sollte der obige Satz nicht seltsam erscheinen. Können wir ihn besser machen, vielleicht wenn wir er durch sie ersetzen? Der Richter kam zu spät, sie musste zuerst noch ihr Baby stillen. Irgendwie klingt der Satz aber auch nicht besser, was nahelegt, dass es nicht am Pronomen, sondern wirklich an dem Nomen Richter liegt, das nicht gut mit Tätigkeiten assoziiert werden kann, die von Männern nicht ausführbar sind.

Wenn ich schreibe ‚klingt seltsam‘ oder ‚klingt auch nicht besser‘, gebe ich meine Intuitionen wieder. Es wäre sinnvoll, diese Intuitionen in sauber designten experimentellen Studien zu überprüfen. Beispielsweise wäre es möglich zu testen, ob Sprecher*innen länger brauchen um den Satz Der Richter kam zu spät, er musste zuerst noch sein Baby stillen zu lesen als den Satz Der Richter kam zu spät, er musste zuerst noch seinen Hunger stillen. Oder braucht ein Leser/ eine Leserin länger, wenn er/sie Der Richter kam zu spät, er musste zuerst noch sein Baby stillen im Vergleich zu Die Richterin kam zu spät, sie musste zuerst noch ihr Baby stillen liest? Alternativ könnte der menstruiende Richter mit der urinierende Richter verglichen werden. Meine Intuition ist, dass der menstruierende Richter arg seltsam klingt. Seltsam zu klingen bedeutet nicht ungrammatisch zu sein. Aber wenn etwas seltsam klingt, dann ist dies doch ein Indiz dafür, dass ein sprachlicher Ausdruck nicht als ‚normal‘ bewertet wird. Wichtig ist, dass wir auf diese Weise eine Hypothese aufstellen können, die sich experimentell überprüfen lässt. Gibt es das generische Maskulinum, sollte sich kein Unterschied zwischen den Sätzen ergeben. Wenn es doch kein generisches Maskulinum ist, wäre ein Unterschied zu erwarten (Die Sätze mit der Richter … er … sein Baby stillen sollten mehr Zeit beim Lesen (= Verarbeiten) brauchen als die Vergleichssätze).

Bisher ging es nur um die Singularform Richter. Was ist aber mit dem Plural? Die Richter kamen zu spät, sie mussten erst noch ihre Babies stillen? Oder Am Landgericht sind drei Richter beurlaubt, alle drei sind schwanger. Sind die Pluralsätze besser als die Singularsätze? Bezieht die Pluralform Frauen mit ein?

Vorweg: im Plural gibt es im Deutschen keine Genusunterscheidung mehr. Genus erkennen wir im Deutschen nur an der Form des Artikels bzw. Adjektivs, der/das ein Nomen modifiziert (Sprachwissenschaftler*innen sprechen von Kongruenz). Im Plural verlangen alle Nomen, egal welchem Genus sie im Singular angehören, dieselbe Form des Adjektivs/Artikels. Also der Richter, die Richterin, das Kind – aber die Richter, die Richterinnen, die Kinder.

Wäre die Pluralform generisch – könnte also für alle Geschlechter verwendet werden – , müsste von einem ‚generischen Plural‘ und nicht von einem ‚generischen Maskulinum‘ gesprochen werden. Ich bin mir bezüglich des Plurals nicht sicher. Die Pluralform scheint besser zu sein, aber ganz eindeutig ist mein Urteil nicht. Aber das ist auch egal, denn mittels experimenteller Methoden kann man dem auf den Grund gehen. Wie für die Singularbeispiele kann man also auch für die Pluralbeispiele vergleichen, ob Leser*innen für das Lesen eines Satzes wie Am Landgericht sind drei Richter beurlaubt, alle drei sind schwanger länger/kürzer/gleich lang brauchen wir für den Satz Am Landgericht sind drei Richter*innen beurlaubt, alle drei sind schwanger.

Solche Experimente werden natürlich so durchgeführt, dass die Versuchspersonen nicht wissen, worum es geht. Zudem sollte die Gruppe der Versuchspersonen zu zusammengesetzt sein, dass sie möglichst heterogen ist – zum Beispiel nicht nur Genderideologen aus dem Verein für deutsche Sprache. Natürlich wäre es auch interessant zu wissen, ob die Einstellung der Versuchsperson zum Thema Gendern eine Auswirkung auf die Versuchsergebnisse hat. Dies kann man auch abtesten und auswerten.

Das generische Maskulinum ist keine Glaubenssache, sondern kann experimentell untersucht werden. Intuitionen legen die Hypothese nahe, dass die Singularform – die maskuline Form – eine (starke) Assoziation mit männlichen Personen aufweist.   

Die Diskussion des generischen Maskulinums ist erst einmal unabhängig vom Thema Gendern. Bei der Frage nach dem generischen Maskulinum geht es darum, welche Form von Personenreferenz – also Bezugnahme auf Menschen – durch ein Nomen mit maskulinem Genus erfolgt. Beim Gendern geht es um die Sichtbarmachung von Personen unterschiedlichen Geschlechts (was auch noch einmal unabhängig davon ist, ob eine binäre oder nicht-binäre Geschlechtsunterscheidung angenommen wird). Aus der Beobachtung, dass maskuline Nomen, die auf Menschen referieren, nicht unbedingt Frauen mitmeinen, kann man leicht zu der Idee übergehen, dass Gendern sinnvoll ist. Denn durch Gendern – zumindest eine Beidnennung wie Richterin und Richter – wird deutlich, dass Frauen mitgemeint sind. Dieser Schluss muss aber nicht zwingend gezogen werden. Wichtig in der Genderdiskussion ist aber, dass die einzelnen Themenkomplexe, die in der Debatte vermengt werden, auseinandergehalten werden.

Die Frage, ob es ein generisches Maskulinum gibt, ist eine linguistische. Ob Mensch gendern sollte, ist dagegen eine nicht genuin linguistische Fragestellung, sondern hat mit Sprechereinstellungen zu tun. Dabei geht es nicht nur um Einstellung der Sprecher zur Sprache, sondern auch zu außersprachlichen Faktoren. Beide Fragestellungen müssen daher auch mit unterschiedlichen Methoden untersucht werden.

1. Nachtrag: Ein/e Twitteruser/in hat bemängelt, dass der Text keine Quellenangaben enthalten würde. Bei meiner Sprachintuition bin ich die Quelle. Die Intuition erscheint mir aber einigermaßen robust – zumindest was die Singularformen angeht – , da ich in mehrere Seminaren Studierende zu diesen Formen befragen konnte. Zum Genus gibt es zahlreiche gute wissenschaftliche Arbeiten, die das Thema umfassend beleuchten. G. Corbett’s Buch Gender (erschienen bei Cambridge University Press) führt in das Thema ‚Genus‘ sehr umfassend ein und zeigt auch gut auf, wie man Genusklassen über Kongruenzmuster feststellen kann. Auch der Aspekt der Genusneutralisation im Plural findet sich dort. Überhaupt ist dies Thema in zahleichen Arbeiten zum deutschen Genus. Wer eine explizite Referenz möchte: aus dem Jahr 2008 D. Nübling Was tun mit Flexionsklassen? erschienen in Zeitschrift für Dialektologie & Linguistik Band 75, Heft 3. Zur Frage, wie Genus und Sexus zusammenhängen, gibt es auch sehr gute Arbeiten, die die Forschungsliteratur zusammenfassen. Von D. Nübling & H. Kotthoff gibt es z.B. den Band Genderlinguistik, der bei Narr erschienen ist. Da fehlt dann natürlich auch das Thema ‚generisches Maskulinum‘ nicht.

Zusätzlich gibt es zahlreiche Untersuchungen zu der Frage, ob beim ‚generischen Maskulinum‘ Frauen mitgemeint sind. Ein Klassiker stellt L. Puschs Buch Das Deutsche als Männersprache dar. Aber auch experimentell wurde einiges gemacht. Hier nur ein paar Titel:

Heise, E.. 2000. Sind Frauen mitgemeint? Eine empirische Untersuchung zum Verständnis des generischen Maskulinums und seiner Alternativen. Sprache & Kognition 19 (1-2): 3-13.

Irmen, L., & Köncke, A. 1996. Zur Psychologie des „generischen“Maskulinums . Sprache & Kognition, 15( 3): 152–166.

Braun, F., Gottburgsen, A., Sczesny, S. & Stahlberg, D. 1998. Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen. Zeitschrift für Sprachwissenschaft 26 (3): 265-283.

Braun, F., Sczesny, S., Stahlberg, D. 2002. Das generische Maskulinum und die Alternativen: Empirische Studien zur Wirkung generischer Personenbezeichnungen im Deutschen. Germanistische Linguistik 167-168: 77-87.

2. Nachtrag (10.02.2023): Ich habe oben die Frage aufgeworfen, ob eine Pluralform, die von einem maskulinen Nomen gebildet ist, eine wenige starke Assoziation mit männlichen Referenten aufweist als das ‚generische Maskulinum‘. Eine Studie von Gygax et al. (2008) legt nahe, dass das nicht so ist. Probanden bekamen Sätze der Art Die Sozialarbeiter liegen durch den Bahnhof. Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Männer/Frauen keine Jacke. Die Aufgabe war zu entscheiden, ob der zweite Satz eine mögliche Fortsetzung des ersten Satzes darstellt. Dabei wurde die Reaktionszeit der Versuchsteilnehmer gemessen. Die Reaktionszeiten waren schneller, wenn in dem zweiten Satz Männer genannt wurde. Die Autoren schließen daraus, dass das Genus der (zugrundeliegenden) Singularform eine Sexusassoziation des Plurals bewirkt.

Gygax, P., Gabriel, U., Sarrasin, O., Oakhill, J. & Garnham, A. 2008. Generically intended, but specifically interpreted: When beauticians, musicians, and mechanics are all men. Language and Cognitive Processes 23 (3): 464-485.

Kann man kommunizieren, obwohl jemand gendert?

Über misslungene Argumente zu gelungener Kommunikation

Der VDS – in ausgeschriebener Form ‚Verein für deutsche Sprache‘ – setzt sich sprachpflegerisch für die deutsche Sprache ein. Ein zentrales Anliegen des Vereins ist der Kampf gegen das Gendern. Unter anderem bietet der Verein eine Argumentationshilfe ‚Zwanzig Argumente gegen das Gendern‚ an, auf die ich an anderer Stelle bereits kritisch eingegangen bin. Diesmal möchte ich mir ein weiteres ‚Argument‘ vornehmen und zwar Nummer 7 der Liste:

Gendern ist dysfunktional. Es ist eine Form der misslungenen Kommunikation. Sätze werden mit irrelevanten Informationen überfrachtet. Gendern verliert durch die Fixierung auf den Aspekt Geschlecht die Kernaussage aus dem Blick.

Es lohnt sich genauer auf das ‚Argument‘ einzugehen:

  • Gendern ist eine dysfunktionale Verwendung von Sprache, bei der die Kommunikation misslungen ist.
  • Sätze werden mit irrelevanten Informationen überfrachtet.
  • Durch Gendern verlieren wir die Kernaussage aus dem Blick und es findet eine Fixierung auf das Geschlecht statt.

Misslungene Kommunikation

Wann ist Kommunikation gelungen und wann misslungen? Kommunikation hat verschiedene Funktionen: sie kann zur Übermittlung von Informationen dienen; sie kann zur Erfragung von Informationen dienen; sie kann dazu dienen, dass Mensch einen Auftrag erteilt; sie kann rein sozialen Zwecken – etwa der Festigung sozialer Beziehungen – dienen. Und vieles, vieles mehr. Gelungen ist die Kommunikation dann, wenn das mit der Kommunikation intendierte Ziel erreicht wurde.

Wenn ich mitteilen möchte, dass in einem Verein Menschen Mitglied sind, die keine Ahnung vom Thema gendern haben, dann kann ich das folgendermaßen machen: Die Männer im VDS haben keine Ahnung vom Thema gendern. Mag zutreffen, aber die Äußerung wirft de Frage auf, ob die Frauen im VDS denn Ahnung vom Thema gendern haben. Ich könnte also stattdessen sagen: Die Männer und Frauen im VDS haben keine Ahnung vom Thema gendern. Die Beidnennung – Männer und Frauen – ist eine Form geschlechtergerechter Sprache und im Falle des Beispielsatzes wird die Verwendung der Beidnennung auch – zumindest sehe ich es so – den Tatsachen gerecht.  

Anderes Beispiel: Ich bin der Meinung, dass die Krankenpfleger*innen einen unterbezahlten Job machen. Wer dies liest und weiß, dass ich der Meinung bin, dass Personen, die in der Krankenpflege arbeiten, zu wenig Geld verdienen, hat die kommunikative Absicht dieser Äußerung verstanden. Glaubt jemand ernsthaft, dass Kommunikation misslingt – meine sprachliche Äußerung also gar nicht erst interpretierbar ist – , wenn ich ein Gendersternchen schreibe? Das Gendersternchen ist nach den aktuell geltenden Regeln der amtlichen Rechtschreibung ein Rechtschreibfehler, da dieser Form der wortinternen Interpunktion nicht zugelassen ist [dazu hier mein Kommentar]. Aber sind Rechtschreibfehler – selbst dann, wenn sie absichtlich sind – ein Grund, warum Kommunikation misslingt? Wenn ja, dann sollte folgender Satz niemandem vom VDS stören dürfen, denn er stellt eine misslungene Form der Kommunikation dar: Gändärkritika sind dof.

Wenn durch das Gendern Kommunikation misslingt, dann nur, weil ein Kommunikationsteilnehmer oder eine Kommunikationsteilnehmerin die Kommunikation bewusst scheitern lässt. Kleiner Hinweis: das ist nicht die Person, die gendert.     

Irrelevante Informationen

Wir sind den ganzen Tag immer wieder mit Informationen konfrontiert, die wir als irrelevant einschätzen. Aber, das ist wesentlich, Relevanz ist eine subjektive Einschätzung. Was für die eine relevant ist, ist für den anderen irrelevant. Manche Menschen finden es relevant zu wissen, ob nur Männer oder alle Geschlechter gemeint sind. Haben nur die Männer im VDS keine Ahnung vom Gendern oder auch die Frauen? Betrifft meine Kritik nur einen Teil der VDS-Mitglieder oder alle?

In verschiedenen Studien wurde gezeigt, dass geschlechtergerechte Sprache keine irrelevanten Informationen beisteuert sondern für das Verständnis wichtige Informationen. Frauen fühlen sich nicht immer angesprochen, wenn das ‚generische Maskulinum‘ verwendet wird. Sie müssen dazu nicht bewusst sagen: „Damit bin ich jetzt aber nicht gemeint“. Es reicht, wenn sie zum Beispiel Stellenanzeigen als weniger relevant erachten, nur weil die verwendete Form ein ‚generisches Maskulinum‘ ist. Wenn durch geschlechtergerechte Sprachen sich Frauen weniger ausgeschlossen fühlen – vielleicht nicht alle, aber doch hinreichend viele – , dann sind die damit beigesteuerten Informationen definitiv nicht irrelevant. Oder soll es heißen, dass Frauen weniger relevant sind?

Kernaussage

Ein Satz wie Die Männer im VDS haben keine Ahnung vom Gendern macht eine Aussage über das Subjekt die Männer im VDS. Die Aussage, die über das Subjekt gemacht wird, ist ‚keine Ahnung vom Gendern zu haben‘. Die Kernaussage ändern sich nicht, egal ob eine Beidnennung oder eine Form mit Genderstern oder was auch immer verwendet wird. Wieso sollte irgendwer glauben, dass sich die Bedeutung einer Aussage sofort zu ‚GESCHLECHT‘ ändert, nur weil Frauen explizit mitgenannt werden? Die Männer und Frauen im VDS haben keine Ahnung vom Gendern und Die Angehörig*innen des VDSs haben keine Ahnung vom Gendern bedeuten etwas ganz Ähnliches wie das erste Beispiel, nur ein bisschen mehr. Nämlich das nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen im VDS keine Ahnung vom Gendern haben. Kommt das Thema ‚Geschlecht‘ ins Spiel? Ja, denn die Personenreferenz wird eindeutig: nicht nur männliche, auch weibliche Personen sind gemeint. Ändert sich die Kernaussage? Nein! Findet eine Fixierung auf das Geschlecht statt? Nein!

‚Geschlecht‘ ist aber bei Personenreferenz nun einmal ein wichtiger Aspekt, denn es gibt – dies wird auch im VDS niemand leugnen wollen – verschiedene Geschlechter. Dass ‚Geschlecht‘ also durch Gendern thematisch in eine Äußerung beigesteuert wird, ist natürlich. Damit wird ein wichtiger Aspekt der Personenreferenz – Personen haben verschiedene Geschlechter – einfach nur explizit.

Gut gemeinter Hinweis: Fragen die Expert*innen

Gerade zu den Themen ‚Funktionalität‘ und ‚gelungene Kommunikation‘ wäre noch viel zu sagen, klar sollte aber sein: Gendern hat nichts mit gelungener Kommunikation oder gar Dysfunktionalität zu tun, sondern mit Rücksicht über Personen unterschiedlichen Geschlechts. Wenn man Höflichkeit als Teil einer gelungenen Kommunikation ansieht – Unhöflichkeit ist durchaus ein Grund zum Abbruch von Kommunikation – , dann stellt Gendern einen positiven Beitrag zu gelungener Kommunikation dar. Wer gendert, nimmt die Diskriminierungsempfindungen von u.a. Frauen ernst.

Das ‚Dysfunktionalitätsargument‘ des VDS schlägt also fehl. Abschließend möchte ich aber gerne noch einen Hinweis anbringen: Lieber auf die Expertise der Experten hören. Glücklicherweise gibt es zum Thema Sprache Expert*innen: Sprachwissenschaftler*innen. In der Mehrzahl sieht diese den VDS sehr kritisch, Gendern dagegen aber nicht. Das hat Gründe: gute Gründe, die wissenschaftlich motiviert sind. Bevor Mensch also den ‚Argumenten‘ des VDSs traut, wäre eine Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Fachliteratur zu empfehlen.

Nachtrag (30.12.2022): Als Beispiel habe ich oben die Nomen Mann und Frau immer wieder verwendet. Klar, da ist eine Beidnennung nötig, da diese Nomen in ihrer Bedeutung den Bezug auf ein bestimmtes Geschlecht drin haben. Anders sieht es mit Angehörig*innen oder Nomen wie Ärzt*innen, Lehrer*innen, Expert*innen und Sprachwissenschaftler*innen aus. Das oben geschrieben trifft, wie ja auch teilweise gezeigt, auch für diese Nomen zu. Spricht Mensch von Sprachwissenschaftler*innen oder Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftlerinnen wird deutlich gemacht, dass nicht nur die männlichen Vertreter, sondern eben auch die weibliche Vertreterinnen (und Personen anderen Geschlechts bei der Form mit *) gemeint sind.

Gendern, Sexismus und die Brüder Grimm

Der Verein für deutsche Sprache findet Gendern sexistisch

Kein sprachwissenschaftliches Thema erzielt so viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit wie die geschlechtergerechte Sprache, die auch gerne unter der Bezeichnung ‚Gendern‘ diskutiert wird. Die öffentliche Diskussion wird leider sehr von Laien dominiert; die Fachwissenschaftler, die sich mit diesem Thema beruflich aus einer ideologiefreien, wissenschaftlichen Perspektive auseinandersetzen, gehen dabei häufig unter.

Einer der wortstarken Meinungsführer, der sich ideologisch gegen das Gendern ausspricht, ist der Verein für deutsche Sprache. Unter anderem hat der Verein einige ‚Argumentationshilfen‘ im Angebot, beispielsweise seine ‚20 Argumente gegen das Gendern‚.

Ich will mich nicht mit allen diesen ‚Argumenten‘ zugleich auseinandersetzen, aber hin und wieder gerne einem von ihnen. Interessant finde ich das vierte ‚Argument‘, das folgendermaßen lautet:

Gendern ist sexistisch, weil es über die Sexualisierung der Sprache Geschlechterdifferenzen zementiert. Weil es Menschen auf ihr Geschlecht reduziert. Weil es die reaktionäre Erzählung von der Frau als ewigem Opfer fortschreibt – und die anachronistische Erzählung vom Mann als ewigem Täter.

In diesem ‚Argument‘ stecken folgende Aussagen:

  • (i) Gendern ist sexistisch, denn Gendern stellt eine Sexualisierung der Sprache dar.
  • (ii) Durch die Sexualisierung der Sprache werden Geschlechterdifferenzen zementiert.
    • (iii) Geschlechterdifferenzen werden zementiert, weil Menschen auf ihr Geschlecht reduziert werden.
      • (iv) Geschlechterdifferenzen werden zementiert, weil die reaktionäre Erzählung von Frauen als ewigem Opfer fortgeführt wird.
        • (v) Geschlechterdifferenzen werden zementiert, weil die anachronistische Erzählung vom Mann als ewigem Täter fortgeführt wird.

Sexualisiert das Gendern die Sprache?

Was wird unter Gendern verstanden? Im einfachsten Fall ist damit die Sichtbarmachung von Frauen, etwa in Form einer Beidnennung Idiot und Idiotin gemeint. Zugleich kann aber auch gerade die Nichtfokussierung auf das Geschlecht, durch die Verwendung eines nominalisierten Partizips Lehrende statt Lehrer und Lehrerinnen, erfolgen.

Hinter der Genderthematik steckt selbstverständlich noch sehr viel mehr, insbesondere die Diskussion um das soziale Geschlecht und nicht-Binärität spielen eine wichtige Rolle. Beides klammere ich an dieser Stelle aus, da in dem ‚Argument‘ auch nur verkürzt über Männer und Frauen – also die klassischen binären Geschlechter – gesprochen wird.

Führt also die sprachliche Sichtbarmachung von Frauen zu einer Sexualisierung der Sprache? Die Antwort ist ganz klar Nein, denn das Deutsche wird dadurch nicht stärker sexualisiert als es vorher schon war. Gerne wird behauptet, dass es keinen Zusammenhang zwischen Genus (einer grammatikalischen Kategorie zur Klassifikation von Nomen) und Sexus (einer biologischen/sozialen Kategorie) gibt. Partiell ist das auch so, denn das Tisch ein maskulines Nomen ist, hat nichts mit dem Geschlecht oder Sexus des Nomens zu tun. Aber zugleich gibt es im Bereich der belebten Natur – relevant sind vor allem Menschen und einige höhere Säugetiere – einen Zusammenhang zwischen Genus und Sexus. Nomen, die auf männliche Menschen, bzw. Tiere referieren, sind in aller Tendenz Maskulina. Umgekehrt gilt: Nomen, die auf weibliche Menschen und Tiere referieren, sind in der Regel Feminina. Wir können zwar das Nomen Katze (ein Femininum) für die Bezeichnung der Art verwenden (und verwenden das Nomen auch dann, wenn wir das Geschlecht eines Individuums nicht kennen), aber wenn das Geschlecht bekannt ist, wird die feminine Form Katze für die weiblichen Tiere und die maskuline Form Kater für männliche Tiere verwendet.

Alle Nomen, die nicht in den genannten Bereich fallen, sind schlichtweg irrelevant. Das Gabel ein feminines Nomen ist, obwohl Gabeln eindeutig keine Frauen sind, ist egal. Warum? Weil sie kein Geschlecht haben. Die Genuszuweisung erschöpft sich nicht in einer Korrelation zwischen (natürlichem) Geschlecht und Genus, aber dies ist ein Faktor, der das Genus von Nomen mit belebten Referenten determiniert.

Sexualisierte Kindergeschichten

Viele Leute würden sicherlich zustimmen, dass Kindergeschichten ein Platz sind, wo eine Sexualisierung nach Möglichkeit unterbleiben sollte. Viele Menschen lesen ihren Kindern Grimms Märchen vor. Die Grimms haben ihre Märchen systematisch sexualisiert, wie folgendes Beispiel aus ‚Die sechs Schwäne‘ zeigt:

Er tat ihm seinen Mantel um, nahm es vor sich aufs Pferd und brachte es in sein Schloß. Da ließ er ihm reiche Kleider antun, und es strahlte in seiner Schönheit wie der helle Tag, aber es war kein Wort aus ihm herauszubringen. Er setzte es bei Tisch an seine Seite, und seine bescheidenen Mienen und seine Sittsamkeit gefielen ihm so sehr, daß er sprach ‚Diese begehre ich zu heiraten und keine andere auf der Welt‘, und nach einigen Tagen vermählte er sich mit ihr.

(Link zum Text)

Zuerst ist das Mädchen, um das es in dem Märchen geht, ein ‚es‘. Die Textpassage fängt damit an, dass mit ihm und es auf das Mädchen Bezug genommen wird. Erst am Ende des Absatzes wird das Mädchen zu einer ’sie‘. Der Wechsel nach ‚es‘ zu ’sie‘ erfolgt in dem Moment, in dem sie begehrt wird und sich jemand mit ihr vermählen will. Orrin Robinson spricht davon, dass bei den Grimms Mädchen zu einer ’sie‘ werden, wenn sie als heiratsfähig und damit als Frau angesehen werden. Wenn das keine Sexualisierung der pronominalen Referenz darstellt, was dann?

Die Grimms haben nicht gegendert, sexualisiert war ihre deutsche Sprache dennoch. Wer sich also gegen eine Sexualisierung der Sprache ausspricht, sollte erst einmal einen Blick in die Sprachgeschichte und den Kanon der Kinderliteratur werfen.

Zementiert das Gendern Geschlechterdifferenzen?

Was sind denn eigentlich Geschlechterdifferenzen? Eines ist klar, Geschlechterdifferenzen sind erst einmal kein sprachwissenschaftliches Phänomen. Dafür aber ein soziologisches und bezieht sich, so würde ich es interpretieren, auf systematische Ungleichheiten bedingt durch das Geschlecht. Als erstes fallen mir da geschlechtsbedingte Unterschiede beim Einkommen ein.

Wer der Meinung ist, dass solche Unterschiede durch das Gendern zementiert werden, soll mir bitte erklären, wie. Warum sollte der diskriminierende Status quo durch die Verwendung geschlechtergerechter Sprache zementiert werden?

Werden Menschen durch Gendern auf ihr Geschlecht reduziert?

Der Gegenvorwurf ist, dass Frauen sprachlich nicht sichtbar sind und häufig nicht mitgemeint sind. Diese Frage berührt ein anderes der 20 ‚Argumente‘ des Vereins für deutsche Sprache, daher möchte ich an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen. Aber dennoch kurz: eine Ärztin ist nicht einfach ’nur‘ eine Frau, sondern Ärztin und weiblich. Zwei Eigenschaften des Referenten werden ausgesagt, die Profession und das Geschlecht. Eine Reduktion auf das Geschlecht erfolgt aber nicht.

Die reaktionäre Erzählung der Frau als ewigem Opfer und die anachronistische Erzählung des Mannes als ewiger Täter

Reaktionär bedeutet ‚fortschrittsfeindlich‘, wenn also ‚die Erzählung der Frau als ewigem Opfer‘ als „reaktionär“ bezeichnet wird, dann wird diese Erzählung abgewertet. Sie ist dieser Sichtweise nach überholt und gehört vergangenen Zeiten an. Ganz ähnlich die Bedeutung von anachronistisch. Was also gesagt wird ist: die Erzählungen von Frauen als Opfer und Männern als Täter sind überholt und gehören in frühere, überwundene Zeiten. Also gilt beides nicht, in unserer Zeit sind Frauen keine ewigen Opfer und Männer keine ewigen Täter.

Das Bundeskriminalamt führt eine Statistik zu Partnerschaftsgewalt, in der für das Jahr 2021 rund 143000 Delikte geführt werden. Rund 80% der Opfer waren Frauen, fast 80% der Täter Männer! So anachronistisch ist ein Bericht über das Jahr 2021 nicht, oder?

Hat Gewalt gegen Frauen denn nun irgendwas mit Gendern zu tun? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Die Frauen wurden sicherlich nicht Opfer von Partnerschafsgewalt, weil sie oder ihre Partner gegendert oder nicht gegendert haben. Gendern wird Partnerschaftsgewalt auch nicht beseitigen. Sprache stellt aber ein Spiegel der Gesellschaft dar und sowenig wie Frauen sprachlich gleichberechtigt sind, sind sie es gesellschaftlich. Nicht die Erzählung von der Frau als Opfer und dem Mann als Täter ist anachronistisch, sondern das Leugnen der sprachlichen und gesellschaftlichen Geschlechterdiskriminierung.      

Der Verein für deutsche Sprache stellt mit seinem Sexismusvorwurf die sprachliche Realität auf den Kopf. Nicht das Gendern ist sexistisch, sondern die Argumentation des Vereins für deutsche Sprache.

Hier noch die Literaturangabe zu dem sehr spannenden Buch von Robinson: Orrin Robinson. 2010. Grimm Language. Amsterdam/ Philadelphia: John Benjamins. Ich möchte aber auch Damaris Nüblings Text Genus und Geschlecht empfehlen, der das Thema gut verständlich behandelt und dem ich unter anderem den Hinweis auf Robinsons Buch und die Brüder Grimm verdanke.

Nachtrag: Die 20 Argumente gegen das Gendern, auf die sich der VDS bezieht, stammen aus dem Buch ‚Von Menschen und Mensch*innen‘ geschrieben von F. Payr.

Genderideologie der CDU

Geschlechtergerechte Sprache, gesetzliche Festellungen und Laienlinguisten

Christoph Ploß – Mitglied des deutschen Bundestages für die CDU – fordert, dass es an deutschen Schulen und Universitäten keinen Genderzwang geben darf. In einem Redebeitrag im Bundestag spricht er davon, dass Schüler*innen und Studierende – die gegenderte Form stammt nicht von ihm – bei Prüfungen Angst haben müssten, wenn sie nicht in ‚Gendersprache‘ ihre Prüfungen schreiben [hier ein Video des Beitrags bei Twitter]. Als Konsequenz fordert er, dass es eine gesetzliche Klarstellung darüber dass an deutschen Schulen die deutsche Grammatik gilt und nicht eine ‚ideologische Gendersprache‘ geben muss.

Von welchen Fällen redet er? In welchen Fällen müssen Schüler*innen und Studierende Angst haben, wenn sie nicht gendern? Ich will nicht in Abrede stellen, dass es vielleicht den ein oder anderen Dozierenden gibt, der oder die gegenderte Personenbezeichnungen gerne verwendet sehen möchte. Vielleicht mag es auch Prüfende geben, die das Nichtverwenden geschlechtergerechter Sprache bei der Korrektur berücksichtigen. Aber wenn, dann sind dies Einzelfälle. Von hypothetischen Einzelfällen ausgehend – hypothetisch, da mir keine belegten Fälle bekannt sind – eine gesetzliche Regelung fordern, ist dann doch mehr als übertrieben.

Wer schreibt die Rechtschreibung vor?

Aber was wäre gesetzlich eigentlich möglich? Die amtliche deutsche Rechtschreibung wird durch den Rechtschreibrat (korrekt: Rat für deutsche Rechtschreibung) festgelegt. Wie auf der Seite des Rats nachzulesen ist, ist dieser ein zwischenstaatliches Gremium, das unter anderem mit der Weiterentwicklung der Orthographie betraut ist. Dem Rat gehören 41 Mitglieder an, die aus der Wissenschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen stammen.

Das aktuelle amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung ist online hier abzurufen. Im Vorwort steht zu lesen, welchen Geltungsbereich das Regelwerk überhaupt hat. Dieser ist sehr eingeschränkt, nämlich diejenigen Institutionen, für die der Staat hinsichtlich der Rechtschreibung Regelungskompetenz besitzt. Das sind Schulen, Verwaltung und Rechtspflege. Firmen, Druckereien, Verlage, Privatpersonen sind davon nicht erfasst und kÖnnen schraiben wia sia wolen. Was ist mit Universitäten? Hier sieht der wissenschaftliche Dienst des Bundestags einen Graubereich, bedingt durch die Wissenschaftsfreiheit. Mir scheint es so zu sein, dass nach Einschätzung des Dienstes die Regelungskompetenz des Bundes hier nicht unbedingt gilt. Der Rechtschreibrat scheint anderer Meinung zu sein und schreibt:

„Für den Hochschulbereich erscheint fraglich, ob die Forderung einer „gegenderten Schreibung“ in systematischer Abweichung vom Amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung für schriftliche Leistungen der Studierenden und die Berücksichtigung „gegenderter Schreibung“ bei deren Bewertung durch Lehrende von der Wissenschafts-freiheit der Lehrenden und der Hochschulen gedeckt ist.“    

(Geschlechtergerechte Schreibung; Seite 1)

Im Rahmen der Regelungskompetenz gilt also die amtliche deutsche Rechtschreibung, aber eben nur in diesem Rahmen. Was sagt denn die amtliche deutsche Rechtsschreibung zu geschlechtergerechter Sprache? Nichts konkretes. Es gibt aber eine klare Empfehlung des Rechtschreibrats, die besagt, dass „allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen“ (Quelle). Die unterschiedlichen Mittel zum Ausdruck geschlechtergerechter Sprache, z.B. Asterisk Schüler*innen, Unterstrich Schüler_innen, Doppelpunkt Schüler:innen, usw. sind nicht in das Regelwerk aufgenommen worden. Warum nicht? Auch hier hat der Rechtschreibrat eine nachvollziehbare Position und schreibt: „Dies [gemeint ist, die Verwendung geschlechtergerechter Sprache] ist allerdings eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann“.

Bezüglich der konkreten Verwendung geschlechtergerechter Sprache stellt der Rechtschreibrat nachvollziehbare Forderungen, die durch Formen wie Schüler*innen nur bedingt erfüllt werden. Dazu gehört u.a. (Vor-)Lesbarkeit, Rechtssicherheit, Übersetzbarkeit. Damit ist das Thema aber nicht beendet, denn der Rechtschreibrat ist sich seiner Verantwortung bewusst und schreibt:

„Dazu gilt es, die Entwicklung des Schreibgebrauchs aufgrund der Beobachtung der geschriebenen Sprache durch Empfehlungen oder möglicherweise Regeln so zu beeinflussen, dass er den Vorstellun-gen und Gewohnheiten einer Mehrheit der Schreiberinnen und Schreiber entspricht, aber gleichzeitig die fundierte sprachwissenschaftliche Verankerung besitzt, die vom Rat seinem öffentlichen Auftrag entsprechend erwartet wird.“

(Geschlechtergerechte Schreibung seit 2018; Seite 5)

Aktuell wären damit geschriebene Formen wie Schüler*innen ein Verstoß gegen die orthografische Norm. Daher muss Herr Ploß gar nicht fordern, dass an den Schulen die Verwendung des Gendersterns verboten werden sollte. Die amtliche deutsche Rechtschreibung, die für Schulen gilt, setzt das Gendersternchen sowieso außerhalb der Norm.

Normen heute müssen nicht die Normen morgen sein

Herr Ploß kann also beruhigt sein, kein Kind muss gendergerechte Sprache in der Schule verwenden. Aber – der Rechtschreibrat sagt es deutlich – , der Sprachgebrauch soll beobachtet und die Rechtschreibregeln eventuell angepasst werden. Legt der Sprachgebrauch eine Akzeptanz der Formen nahe, wird sich der Rechtschreibrat in der Notwendigkeit sehen, dies auch in den Rechtschreibregeln zu kodifizieren. Eigentlich totla demorkatisch, wenn dem Volk so auf’s Maul (oder auf die Schreibung) geschaut wird.

Sprache ist sowieso eine ziemliche demokratische Sache, denn sie gehört niemandem. Sprecher*innen verwenden Sprache so, wie sie es mögen. Das können sie machen, denn wer will es ihnen verbieten? Sprache passt sich im Gebrauch den Bedürfnissen der Sprecher an. Wer das verkennt, verkennt ein wesentliches Element von Sprache: sie ist nicht starr, sondern dynamisch. Wie jeder Studierende im ersten Semester lernt: Sprache verändert sich. Nur tote Sprachen verändern sich nicht mehr.

Sprache ist auf eine gewisse Weise aber auch entblößend. Durch die eigene Sprachverwendung sagt Sprecher*in einiges über das eigene Weltbild aus. Sprecher, die auf geschlechtergerechte Sprache achten, zeigen, dass ihnen dieses Thema wichtig ist. Dass es ihnen auch wichtig ist, keine Person auf Grund des Geschlechts auszugrenzen oder zu diskriminieren. Sprecher*innen, die keine geschlechtergerechte Sprache verwenden, zeigen, dass ihnen dies nicht wichtig ist. Demokratisch ist, dass Sprecher*innen wählen können, entblößend ist, dass sie durch ihre Wahl ihre Weltsicht offenlegen.

Grammatik ist nicht gleich Rechtschreibung

Herr Ploß spricht davon, dass an deutschen Schulen die deutsche Grammatik gelten soll. Er spricht nicht von deutscher Rechtschreibung, sondern von Grammatik. Die Rechtschreibregeln, die der Rechtschreibrat festlegt, regeln die Zuordnung von Lauten zu Buchstaben, die Getrennt- und Zusammenschreibung, Verwendung von Bindestrichen, Groß- und Kleinschreibung, Zeichensetzung und Worttrennung. Geregelt ist der Bereich der RechtSCHREIBUNG. Die Grammatik der deutschen Sprache ist davon nicht betroffen. Für diese gibt es auch kein Norminstanz, die sagt, dies ist ein Verstoß gegen eine offizielle Grammatikregel. Eine solche Regel könnte etwa sein, dass das Komparandum bei Komparativen mit als und nicht mit wie eingeleitet wird (Mein Hund ist größer als mein Goldfisch und nicht Mein Hund ist größer wie mein Goldfisch). Eine amtliche deutsche Grammatik gibt es aber nicht.

Die Gleichsetzung von Orthografie und Grammatik ist ein häufiger laienlinguistischer Fehler. Laienlinguistik ist hier das wichtige Stichwort.

Genderideologie

Unter einer Ideologie wird ein in der Regel recht starres Weltanschauungssystem. Verfechter geschlechtergerechter Sprache werden gerne als „Genderideologen“, so auch Herr Ploß, bezeichnet. Umgekehrt lässt sich aber treffend sagen, dass die eigentlichen Genderideologen diejenigen sind, die geschlechtergerechte Sprache mit aller Vehemenz bekämpfen. Sie wollen, dass Menschen sich einer bestimmten Sprachnorm fügen. Sie wollen, dass Sprache sich nicht wandelt, sondern sprachlich ein konservatives Wertesystem reflektiert wird. Die christliche Familienideologie – zwei Geschlechter und der Mann ist der Chef der Familie – unterliegt dem Sprachsystem, das mit aller Vehemenz verteidigt werden soll. Welche Argumente werden dafür hervorgebracht? Ehrlich gesagt sind die Argumente zweifelhaft und in aller Regel vor allem eines, nämlich nicht sprachwissenschaftlich. Solche „Argumente“ finden sich etwa auf den Seiten des Vereins für deutsche Sprache. Unter anderem heißt es, dass ‚Gendern unwissenschaftlich sei‘, wobei Jahrzehnte sprachwissenschaftlicher Forschung zu dieser Thematik geflissentlich ignoriert werden. Auch die Idee, dass ‚Gendern grundgesetzwidrig sei‘, kann durch nichts gedeckt werden. Diese Argumente stammen in aller Regel von Laienlinguisten, was auch sehr gut erklärt, warum sie keine linguistischen Argumente sind.

Wenn mir mein 80jähriger Nachbar rät, dass ich mir ein totes Eichhörnchen um die Brust binden sollte, wenn ich keine Luft kriege, sollte ich das tun? Mein Nachbar könnte sich darauf berufen, dass er Laienpneumologe ist, da er seit 80 Jahren erfolgreich atmet. Aber ganz ehrlich, reicht das? Ich würde dann doch lieber einen echten Pneumologen aufsuchen und meine Atemprobleme vom Experten behandeln lassen. Warum sollte wir dann den Laienlinguisten in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache vertrauen? Nur weil sie sprechen können? Die Fähigkeit grammatikalisch wohlgeformte Sätze zu bilden macht niemanden zu einem Linguisten.

Abschließend eine Bitte an Herr Ploß und andere Politiker, die sich mit Sprache beschäftigen wollen: Wissenschaft ist keine Ideologie, sondern liefert intersubjektiv nachvollziehbare Daten und deren Interpretation. Vertrauen Sie also denen, die Ahnung haben und nicht dem schrulligen Nachbarn, der nicht mehr vorweisen kann als schon Jahrzehnte erfolgreich gesprochen zu haben.

Abschließender Hinweis: Wer glaubt, dass das Gendern unwissenschaftlich sei, sollte einmal das Einführungsbuch Genderlinguistik von Damaris Nübling & Helge Kotthoff (Narr Verlag) lesen.

P.S. Wann sprechen wir eigentlich von Rechtschreibfehlern und wann bewegen wir uns im recht(schreib)freien Raum? Wie auch immer: Dies ist kein Text aus Schule, Verwaltung oder Rechtspflege, daher steht er eigentlich außerhalb des Zwangs der amtlichen deutschen Rächtsschraibung.

Wie wurden aus Aktivistis Aktivisti?

Ein paar Beobachtungen zur Chronologie beider Formen

Ich hatte vor kurzem hier darüber geschrieben, dass ich zwei Sexus-neutrale Formen – Aktivisti und Aktivistis – zur Bezeichnung einer Gruppe von Aktivist*innen gibt. In dem Zusammenhang hatte ich die Idee, dass das –i, das zur Pluralmarkierung bei Aktivisti dient, als Teil des Stammes reanalysiert wurde und dadurch die Pluralbildung mit -s motiviert wurde.

Jetzt habe ich mir aber einmal versucht die Vorkommen der beiden Daten etwas genauer zu datieren. Beides ist gar nicht so einfach zu machen. Aber ein paar Ergebnisse habe ich doch. Zunächst einmal zum Deutschen Referenzkorpus (DeReKo). im Archiv W kommen beide Formen vor. Der früheste Beleg für Aktivisti stammt aus dem August 2020:

„Die haben uns teilweise schon vor den Aktivisti mitgenommen“, erzählt Fotojournalistin Doneck.

(T20/AUG.01825 die tageszeitung, 26.08.2020, S. 25; Mitgegangen,)

Für Aktivistis ist der erste Beleg auf Oktober 2019 datiert:

Was sich die Aktivistis aber erhoffen, ist, von der Politik und der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.

(B19/OKT.00854 Berliner Zeitung, 12.10.2019, S. 12; „Wie peinlich, dass sie das tun müssen“)

Eine Googlerecherche untermauert diese Ergebnisse. Für Aktivisti habe ich keien Belege gefunden, die sich früher als 2020 datieren lassen. Für Aktivistis findet sich dagegen ein Belege, der aus dem Juni 2019 stammt: „Fridays for Future“-Aktivistis bei legaler Sprühaktion von Polizei umstellt. Es lassen sich sogar noch frühere Belege finden, die sich durch die Webseite auf das Jahr 2016 datieren lassen: Die Bauten hätten nicht den gültigen Bauregeln entsprochen, die Aktivistis wären somit gefährdet gewesen. Es spricht also einiges dafür, dass Aktivistis die ältere der beiden Formen ist. Damit ist es plausibel anzunehmen, dass sich Aktivisti aus der Form Aktivistis entwickelt hat. Aber wie?

Es ist auffällig, dass ich keinen Beleg für Aktivisti mit sigularischer Referenz gefunden habe. Damit dürfte die Pluralform Aktivistis immer in Opposition zu den Singularformen Aktivist und Aktivistin gestanden haben. Damit aus dem -i eine Sexus-neutrale Pluralmarkierung werden kann, muss es zunächst einmal als Bestandteil der Pluralmarkierung in Aktivist-is interpretiert werden. Ob es als Bestandteil der Pluralmarkierung startete oder mit einer anderen Funktion – z.B. als stammbildendes Element für einen Sexus-neutralen Stamm – ist eine andere Frage. Ausgehend von dem is-Plural konnte das -s getilgt werden. Mir ist nicht klar, was die Motivation dahinter gewesen sein könnte. Vielleicht war die Motivation, dass ein i-Plural die Sexusneutralität stärker hervorhebt? Vielleicht wurde das -i als ausreichende Pluralmarkierung interpretiert, sodass das -s fallengelassen werden konnte. Vielleicht dient die Reduktion auf die i-Form auch nur der stärkeren Abhebung von anderen Formen? Basierend auf einem Einzelfall will ich diese Frage nicht beantworten.

Was kann man nun also sagen? Aktivisti ist chronologisch nach Aktivistis anzusiedeln, beides sind Pluralformen, denen keine Sexus-neutrale spezifische (d.h. andere als Aktivist, bzw. Aktivistin) Singularform korrespondiert. Es handelt sich also um die Entwicklung einer Sexus-neutralen Pluralform, ohne entsprechende Sexus-neutrale Singularform.