Archiv für den Monat: Juli 2022

Uns steht das Wasser bis zum Hals

Im Sommer herrscht Niedrigwasser und trotzdem muss der Rheinpegel abgesenkt werden – Die Konsequenzen des Rheinischen Braunkohletagebaus für das Grundwasser und den Rhein

Wieder eine Redewendung zum Thema ‚Wasser‘. Dass uns das Wasser bis zum Hals steht – wir also enorme Probleme haben – , ist heute sehr deutlich geworden. Heute ist Erdüberlastungstag (hier Informationen des Umweltbundesamtes). Ab heute verbrauchen die Menschen mehr Ressourcen als auf natürlich Weise nachwachsen. Dass uns das Wasser bis zum Hals steht hat aber auch wieder eine wörtliche Interpretation. Nach dieser reicht das Wasser eines Sees oder Flusses eben bis zum Hals. In Düsseldorf würde uns der Rhein normalerweise nicht bis zum Hals gehen, sondern – um diese Jahreszeit – über unsere Köpfe schwappen. Normal wäre ein Rheinpegel von zwei bis drei Metern. Aktuell steht der Rhein bei Düsseldorf aber nur Kindern bis zum Hals, denn der Pegel liegt unter einem Meter (Quelle: Rheinische Post). Bei Emmerich betrug der Rheinpegel heute am 28.07.2022 sogar nur zwischen 36 und 38 Zentimetern. In Köln lag er am 28.07. um 16.30 Uhr bei 110 Zentimetern. In allem Fällen ist der Rhein deutlich unter seinem Normalstand. In den Zeitungen liest man, welche Auswirkungen dies hat. Schiffe können nur noch mit weniger Fracht fahren, und so weiter und so fort. Wenn Schiffe weniger Fracht aufnehmen können, muss die Fracht anders transportiert werden. Züge? Eine Alternative, aber die Bahn scheint momentan nicht viele freie Kapazitäten zu haben. LKWs? Möglich, wäre aber keine umweltfreundliche Alternative.

Eine weitere Auswirkung des Niedrigwassers ist ein Anstieg der Wassertemperatur, die an einigen Messstellen über 25 Grad Celsius beträgt. Für manche Pflanzen und Fische sind solche Temperaturanstiege problematisch, andere werden dadurch begünstigt. Jedenfalls hat ein solcher Anstieg Konsequenzen für das Ökosystem Fluss. Die Rheinische Post berichtet am 28. Juli 2022 beispielsweise von Vögeln (Limikolen), die durch die ausgetrockneten Böden keine Nahrung mehr finden.

Der Rheinische Tagebau – und sein Betreiber RWE – tragen mit dazu bei, dass uns das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals steht. Beide werden zukünftig dazu beitragen, dass es uns im Rhein nicht mehr so leicht wörtlich bis zum Hals steht. Ab 2030 soll es eine Rheinwassertransportleitung geben, die große Mengen Rheinwasser entnimmt und in den dann beendeten Rheinischen Braunkohletagebau leitet. In einem netten Prospekt wirbt RWE mit Bildern von Segelbooten und es wird damit geworben, dass ein tolles Naherholungsgebiet entstehen wird. Alleine für die Befüllung des Tagebausees Hambach sollen, laut Angaben von RWE, 4300 Millionen Kubikmeter Wasser, der See wird dann eine Fläche von 36 Quadratkilometern haben. Der See wäre dann einer der 10 größten Seen in Deutschland.

Es gibt aber jetzt schon tolle grüne Naherholungsgebiete am Niederrhein: Naturschutzgebiete, Seen, Moore, Flüsse, Wälder. Aber – und es ist ein riesiges aber – diese ganzen Gebiete gibt es nur noch, weil sie durch Grundwasser, das aufgrund des Tagebaus abgepumpt wurde, am Leben erhalten werden. Warum muss man sie am Leben halten? Weil ihnen – aufgrund des Tagebaus – das Grundwasser entzogen wurde. Klingt zirkulär? Aber genau das passiert. Um den Tagebau zu betrieben, muss das Grundwasser abgepumpt werden. (Das habe ich an anderer Stelle schon einmal beschrieben.) Weil durch das Abpumpen des Grundwassers die Feuchtgebiete ihren natürlichen Grundwasseranschluss verloren haben, müssen sie künstlich mit Wasser versorgt werden. Nötig wäre es nicht, wenn kein Tagebau betrieben worden wäre.

Wenn nun der Tagebau eingestellt wird, wird auch kein Grundwasser mehr abgepumpt. Wo kommt dann das Wasser für die Feuchtgebiete her? Aus dem Rhein! Das Wasser, das aus dem Rhein entnommen werden soll, wird nicht nur die Tagebaurestlöcher fluten, sondern auch die Feuchtgebiete am Leben halten.

Gibt es eine Alternative zur Rheinwasserentnahme? Ja, die hätte es gegeben, wenn man vor Jahrzehnten die Konsequenzen der Genehmigung des Rheinischen Braunkohletagebaus durchdacht hätte. Heute scheint es mir keine Alternative zu geben. Wir können nur hoffen, dass das Ökosystem Rhein einen geringeren Pegelstand verkraften wird. Wenn sowieso nur wenig Wasser da ist, ist die Entnahme großer Wassermengen keine gute Idee. Wir können nur hoffen, dass die Wasserentnahme auch bei Niedrigwasser klappt, denn die Feuchtgebiete brauchen das Wasser. Wenn das bei Niedrigwasser nicht funktioniert, dann fehlt unseren Feuchtgebieten das Wasser. Typischerweise tritt Niedrigwasser auf, wenn es nur wenig regnet. Die Feuchtgebiete können also das fehlende Grundwasser nicht durch Regenwasser kompensieren. Wir können nur hoffen, dass alle Verantwortlichen klug genug sind und den Feuchtgebieten jederzeit Vorzug gegenüber der Befüllung der Tagebaurestseen geben. Wir können nur hoffen, dass das Grundwasser schnell wieder ansteigt – es wird wohl Jahrzehnte dauern – und die Feuchtgebiete dann endlich wieder einen eigenen Grundwasseranschluss haben. Wir brauchen die Feuchtgebiete, sie sind ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen den Klimawandel.

Zu allen Problemen, die durch die Verbrennung der Braunkohle verursacht werden, kommt das leider oft unbeachtete Grundwasserproblem hinzu. Um es deutlich zu sagen: Das Grundwasserproblem bestünde nicht, wenn es den Braunkohletagebau nicht gäbe. RWE hat enorme Gewinne auf Kosten unseres Grundwassers gemacht und gefährdet nicht nur das Klima durch den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen, sondern auch unsere Natur – die wir im Kampf gegen den Klimawandel so dringend brauchen – durch den Entzug von Grundwasser. Uns steht das Wasser – ganz sprichwörtlich – nicht nur bis zum Hals, sondern schon ein gutes Stück höher!

Wer spricht denn hier von Klimakrise?

Ein (Rück)Blick auf die Wahlprogramme zur Landtagswahl in NRW 2022

Mit der Bedeutung der Begriffe Klimawandel, Klimakrise und Klimakatastrophe habe ich mich schon hier (etwas) beschäftigt gehabt. Die drei Begriffe sind nicht bedeutungsgleich und daher kann man erwarten, dass sie auch unterschiedlich verwendet werden. Insbesondere ist bei solchen Begriffen, die im öffentlichen und im politischen Diskurs vorkommen, zu erwarten, dass sie nicht von allen Diskursteilnehmern gebraucht werden. Dies lässt sich gut anhand der Wahlprogramme zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2022 zeigen.

Ich habe mir die Wahlprogramme von CDU, SPD, FDP, der Linken, und der Grünen angesehen, die Links führen jeweils zu den elektronischen Versionen der angesehenen Programme. Für die einzelnen Parteien habe ich geschaut, ob in ihren Wahlprogrammen die Begriffe Klimawandel, Klimakrise und/oder Klimakatastrophe vorkommen. Das Ergebnis – vorweg – ist nicht überraschend. Zwar sprechen alle Parteien von Klimawandel, aber nicht alle verwenden die Begriffe Klimakrise oder Klimakatastrophe. Zwei Parteien – CDU und FDP – verwenden nur den Begriff Klimawandel, von Krisen wird nur in anderen Zusammenhängen gesprochen. Die CDU zeigt jedoch ein wenig sprachliche Variation und spricht auf Seite 97 ihres Programms von „Herausforderungen im Zuge der klimatischen Veränderungen“. Die anderen Parteien – SPD, Grüne und Linke – setzen die Klimakrise neben den Klimawandel. Die Grünen und die Linke verwenden im Unterschied zur SPD zusätzlich noch den Begriff Klimakatastrophe. Bei beiden Parteien kommt Klimakatastrophe aber nur einmal im Programm vor. Bei der Linken wird er im Plural verwendet und bezieht sich nicht auf die Veränderung des Weltklimas, sondern auf durch den Klimawandel verursachte Katastrophen.

Keine der Parteien – anders als die AFD – leugnet die durch den Menschen verursachten weltweiten Klimaveränderungen und ihre drastischen Folgen. Sie verwenden lediglich andere Begriffe, um darüber zu sprechen. Die Unterschiede in der Begriffswahl – oder eher im Umfang des Begriffsinventars – hängt mit den Begriffsbedeutungen zusammen. Dies alleine wäre noch nicht so spannend, aber es gibt Zusammenhänge – zumindest suggerieren es die Wahlprogramme – zwischen der Verwendung, bzw. Vermeidung des Begriffs Klimakrise und der Sichtweise auf das Thema ‚Klimaschutz‘. Das kann man sehr schön anhand der NRW-FDP und ihres Wahlprogramms illustrieren.

Warum die FDP von Klimawandel aber nicht von Klimakrise spricht, hat vermutlich mit der Einstellung der FDP zum Thema ‚Klimaschutz‘ zu tun. Auf Seite 55 im Wahlprogramm zur Landtagswahl in NRW (2022) heißt es: „[…] Klimaschutz auf der Grundlage von Verzicht wird weltweit keine Nachahmer finden. Vielmehr müssen Klimaschutz und Wirtschaftswachstum zu einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte werden“. Zur Lösung der Klimaproblematik will die FDP auf wettbewerbliche Lösungen setzen und Zwangsmaßnahmen vermeiden (S. 60). Dies heißt im Klartext, dass wesentliche Aspekte im Klimaschutz über marktwirtschaftliche Prozesse geregelt werden sollen. Dies kennt man bereits aus dem Bundestagswahlprogramm der FDP von 2021. Dort heißt es u.a.: „Damit bekennen wir uns auch zum 13. Ziel für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Den Weg dorthin überlassen wir dem Erfindergeist von Ingenieurinnen und Ingenieuren, Technikerinnen und Technikern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. So können wir Klimaschutz marktwirtschaftlich und wissenschaftlich sicher erreichen. Der Weg kann und muss in Deutschland und Europa starten, er ist aber erst beendet, wenn alle Emissionen weltweit einen einheitlichen marktwirtschaftlichen CO2-Preis haben.“ Eine solche Sicht auf die Lösung der Klimaproblematik scheint tatsächlich besser mit einem ‚Wandel‘ als mit einer ‚Krise‘ zusammenzupassen. Vertrauen in marktwirtschaftliche Mechanismen steht im Gegensatz zu staatlichem Eingreifen. man durch die Wahl des Begriffs Klimakrise suggeriert, dass ein akutes Handeln nötig sei, wäre es geradezu fahrlässig, wenn man als Partei zeitgleich sagt, dass man das Heft des Handelns (zumindest teilweise) aus der Hand geben will, indem man auf wettbewerbliche Lösungen setzt. Im Sinne der FDP-Programmatik ist somit eine Vermeidung des Begriffs Klimakrise vollkommen konsequent.

Die Grünen, auf der anderen Seite, setzen nicht darauf, dass Klimaschutz über wettbewerbliche Lösungen zustande kommt. Stattdessen wird auf die Klimakrise, wie es im Wahlprogramm heißt, durch ein Sofortprogramm reagiert. Die Formulierung eines Sofortprogramms ist konsequent, wenn von Veränderungen als ‚akutem Problem‘ gesprochen wird. Wie eine Partei auf die weltweiten Klimaveränderungen reagieren will, steht also in einem direkten Zusammenhang, wie sie diese Veränderungen benennt.

Ein Begriff wie Klimawandel, den alle Parteien verwenden, verpflichtet zu nichts und ist ist mit sehr unterschiedlichen Klimaschutzansätzen kompatibel. Die Verwendung der Begriffe Klimakrise und Klimakatastrophe verlangt, wenn diese Begriffe auch ernsthaft verwendet werden, dass man sich zu einem ganz anderen Umgang mit dem Klimawandel verpflichtet, denn einen Krise ist der Wortbedeutung nach ein akutes Problem, das somit auch einer direkten Reaktion bedarf.

Ich prognostizieren, dass die FDP ihre Klimaschutzpolitik überdenken wird, wenn sie erst einmal von Klimakrise statt nur von Klimawandel spricht. Ob bei der NRW-CDU dahingehend ein Wandel einsetzen wird, werden wir beobachten können, denn immerhin hat es der Begriff der Klimakrise in den gemeinsamen Koalitionsvertrag mit den Grünen geschafft. Unter anderem wird von den Folgen und Herausforderungen der Klimakrise auf das Gesundheitssystem gesprochen (S. 94, 99), sowie der Notwendigkeit, dass die Folgen dieser Krise (aber auch anderer Krisen) in Schulen thematisiert und wissenschaftsorientiert aufgearbeitet werden sollen (S. 92). Rein sprachlich haben sich die Grünen somit partiell durchgesetzt. Aber auch in der Konsequenz des Begriffs haben sich die Grünen durchgesetzt, da der Koalitionsvertrag ein Klimaschutzsofortprogramm enthält, das sich (dem Namen nach) auch im Wahlproramm der Grünen aber nicht der CDU findet. Wichtiger als Worte sind aber am Ende die Taten und da bleibt abzuwarten, ob sich die Grünen auch in der politischen Gestaltung durchsetzen werden.

Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein runter

Der (nicht ganz so enge) Zusammenhang zwischen einer Redewendung und dem Rheinischen Braunkohletagebau

Die Redewendung Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein runter kennt man wahrscheinlich nicht nur im Rheinland. Mit dieser Redewendung drückt man aus, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch eine große Menge an Wasser von der Rheinquelle zu seiner Mündung fließt. Gemeint ist damit, dass noch viel Zeit bis zu einem bestimmten Ereignis verstreicht. Wörtlich genommen trifft die Redewendung gerade aber nicht zu, denn aktuell fließt eher wenig Wasser den Rhein hinunter. Nach Angaben der Stadt Köln beträgt der statisch berechnete Durchschnittspegel des Rheins 3,21 Meter. Für den 21. Juli 2022 (19:15 Uhr) meldet die Stadt Köln einen Pegelstand von 1,17 Meter. Rheinschiffe können nicht mehr mit voller Ladung fahren, was in der momentanen Situation, in der vermehrt Getreide und fossile Brennstoffe über Wasserwege transportiert werden sollen, sehr ungünstig ist. Das Rheinwasser ist aber auch bereits für die Zukunft eingeplant.

Das momentan noch existierende Rheinische Braunkohlerevier besteht aus mehreren Tagebauen, die nach Beendigung der Tagebaue riesige Löcher in der Landschaft sein werden. Geplant ist, dass diese Tagebaue geflutet werden, wodurch im Rheinland neue große Seen entstehen. An dieser Stelle kommt der Rhein ins Spiel. Das Wasser, das die Tagebaulöcher fluten wird, soll dem Rhein entnommen werden. Dabei geht es um ziemlich große Wassermengen. Die Entnahme soll den Rheinpegel über die Zeit der Flutung um ein bis zwei Zentimeter absenken. Ein bis zwei Zentimeter, das klingt nicht nach viel, aber ist die Wasserentnahme auch dann möglich, wenn der Rheinpegel sehr niedrig ist?

Man könnte nun denken: alles halb so wild, dann werden die Tagebaurestlöcher halt nur im Winter befüllt. Die Befüllung der Löcher würde dann länger dauern, aber wäre das schlimm? Na ja, es geht leider nicht nur um die geplanten Seen. Der Tagebau wird unter Grundwasserniveau betrieben. Dies birgt die Gefahr, dass entweder über die Ränder des Tagebaus Grundwasser eindringt oder durch den Boden. Der Druck des Grundwassers würde die Böschung, bzw. den Boden instabil werden lassen. Die Hänge würden abrutschen, Maschinen könnten nicht sicher im Tagebau betrieben werden. Damit der Tagebau nicht mit Grundwasser vollläuft, wird dieses abgepumpt. Das Grundwasser muss dabei bis unter den tiefsten Punkt des Tagebaus abgepumpt werden. Teilweise liegt die Braunkohle in Tiefen bis zu 450 Metern, sodass das Wasser bis in solche Tiefen gesümpft werden muss. Der Prozess des Grundwasserabpumpens wird als Sümpfung bezeichnet. Im Tagebau Garzweiler reicht die Sümpfung „nur“ in Tiefen bis zu 230 Metern, im Tagebau Hambach wird jedoch bis in Tiefen von über 500 Metern gesümpft (Quelle: BUND). Wenn der Tagebau entwässert wird, ist nicht nur der Boden direkt um den Tagebau durch diese Maßnahme betroffen. Die Auswirkungen sind nördlich bis nach Schwalmtal, im Westen bis in die Niederlande hinein (Selfkant), südlich bis nach Meckenheim (das noch unter Bonn liegt) und östlich fast bis Köln zu bemerken. Insgesamt ist ein Gebiet von über 3000 qkm von den Maßnahmen betroffen (Quelle: Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrehin-Westfalen). Dies entspricht der Fläche von über 420000 Fußballfeldern. Im Vergleich dazu, das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat eine Landesfläche von rund 34000 qkm, sodass fast 10% der Landesfläche von den Sümpfungsmaßnahmen betroffen sind!

Eine direkte Konsequenz der Sümpfungsmaßnahmen ist, dass viele Fließgewässer (zum Beispiel die Schwalm) und Feuchtgebiete ihren Grundwasseranschluss verloren haben (dazu auch die Seite der Parents for Future Kreis Viersen). Damit werden sie eigentlich nur noch vom Niederschlag gespeist. Das reicht aber nicht aus, weshalb ein Teil des Sümpfungswasser als Stützwasser in die Feuchtgebiete und Fließgewässer eingeleitet wird. Das vorher gesümpfte Wasser wird ihnen auf diese Weise wieder zurückgeführt. Endet der Tagebau, hören auch die Sümpfungsmaß-nahmen sukzessive auf. Das heißt aber nicht, dass der Grundwasserpegel sofort wieder auf das alte Niveau ansteigt. Der Anstieg des Grundwasserpegel ist ein Prozess, der Jahrzehnte dauert. Für die Feuchtgebiete und Fließgewässer ist das nun erst einmal ein Problem, denn das Grundwasser fehlt und Sümpfungswasser kann nicht mehr zugeleitet werden. Daher, so der Plan, soll Stützungswasser aus dem Rhein entnommen werden. Hier tritt nun der Konflikt auf, denn das Rheinwasser soll ja auch die Tagebaurestlöcher füllen. Damit kommen wir wieder zur Ausgangsfrage: wird die Wasserentnahme möglich sein, wenn der Rheinpegel niedrig ist? Es scheint so zu sein, dass die Entnahme auch bei Niedrigwasser kein Problem darstellen wird. Die Grünen aus Rommerskirchen liefern dazu einige Zahlen, die zeigen, dass die Pegelabsenkung durch die Entnahme den Rhein auch bei niedrigsten Pegelständen nicht leerfallen lassen würde. Klar ist aber auch, dass die bereits beobachtbaren Klimaveränderungen Auswirkungen auf den Rheinpegel haben und mit Niedrigwasser in zukünftigen Sommern auch weiterhin zu rechnen sein wird.

Der Kohleausstieg aus dem Braunkohletagebau ist für das Jahr 2030 geplant. Die Rheiwassertransportleitung, die das Wasser vom Rhein in das Rheinische Braunkohlerevier bringen soll, ist bis jetzt noch nicht final genehmigt. Es bleibt zu hoffen, dass bis zur Fertigstellung der Leitung nicht mehr zu viel Wasser den Rhein hinunterfließt, denn spätestens 2030 muss das Wasser fließen, wenn das fehlende Stützwasser kompensiert werden muss. (Weitere Informationen zur Rheinwassertransportleitung gibt es auf der Seite der Bezirksregierung Köln. Der BUND sieht einige Langzeitriskien und Folgschäden, die durch die Rheinwassertransportleitung drohen.)

Wenn es auch keinen sprachwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen der Redewendung und der durch den Rheinischen Braunkohletagebau verursachten Grundwasserproblematik gibt, bietet die Redewendung doch einen guten Anlass das Grundwasserthema, das in der ganzen Debatte um den Kohleausstieg viel zu kurz kommt, einmal aufzugreifen.

‚Klimawandel‘, ‚Klimakrise‘, ‚Klimakatastrophe‘ – alles dasselbe, oder nicht?

Es ist ein wissenschaftlicher Fakt, dass das menschliche Handeln das natürliche Erdklima nachhaltig und drastisch verändert. Die Konsequenzen dieses Veränderungsprozesses sind allseits bekannt und schon jetzt deutlich spürbar. Auf diesen Prozess der durch den Menschen Klimaveränderungen wird im Deutschen unterschiedlich sprachlich Bezug genommen. Anders gesagt: es gibt verschiedene Wörter, die verwendet werden, um sich auf diesen Prozess zu beziehen. Geläufig sind vor allem die Begriffe Klimawandel, Klimakrise und Klimakatastrophe.

Auch wenn mit allen drei Begriffen derselbe Prozess bezeichnet werden kann, bedeuten sie doch nicht dasselbe. Würden sie dasselbe bedeuten – wären sie also Synonyme –  , dann wären die Ausdrücke miteinander austauschbar. In einem Satz wie Die Klimakrise kann noch gelöst werden, kann Klimakrise nicht durch Klimawandel ersetzt werden, da nur eine Krise aber kein Wandel gelöst werden kann.

Obwohl alle drei Wörter als erstes Bestandteil das Nomen Klima enthalten, unterscheiden sie sich im Bezug auf ihren zweiten Bestandteil. Krise, Katastrophe und Wandel bedeuten nicht dasselbe. Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache paraphrasiert (also umschreibt) Krise als ’schwierige, gefährlich Lage, in der es um eine Entscheidung geht‘. Die Bedeutung von Katastrophe wird dort als ‚furchtbares, verhängnisvolles Ereignis‘ angegeben, während Wandel mit ‚Veränderung‘ umschrieben wird. Eine Veränderung ist neutral, sie kann zum Guten oder Schlechten erfolgen. Spricht man aber von einer Klimakrise, wird die weltweite Klimaveränderung nicht nur als ein Wandel, sondern als eine ‚gefährlich Lage, die einer Lösung bedarf‘ beschrieben. Klimawandel und Klimakatastrophe sind im Gegensatz zu Klimawandel wertende Begriffe. Sie drücken aus, dass der Sprecher eine bestimmte Einstellung des Sprechers gegenüber den als Krise oder Katastrophe bezeichneten Sachverhalt hat. Ein freudiges oder positives Ereignis würde man wohl nicht als Krise oder Katastrophe bezeichnen.

Die Frage, ob Klimawandel oder Klimakrise, ist in den letzten Jahren in den Medien immer wieder diskutiert worden. Die Debatte ist in Deutschland nach der Entscheidung des britischen The Guardian, künftig nicht mehr von climate change zu sprechen, (etwas) ins Rollen gekommen. In einer redaktionellen Entscheidung hat der Guardian festgelegt, dass climate change nicht länger angemessen ist. Die Ernsthaftigkeit der weltweiten Klimaveränderungen und ihrer Folgen verlangen, so die Argumentation, dass von ‚climate emergency‘ oder ‚climate crisis‘ gesprochen wird. (Der Artikel des Guardians findet sich hier.)

Klimafakten.de nahm die Entscheidung des Guardian zum Anlass und fragte in der deutschsprachigen Medienlandschaft nach, welche Begriffe dort präferiert werden. Der vollständige Artikel kann hier nachgelesen werden. Interessant ist, dass der Begriff Klimakrise bei den gefragten Medienschaffenden nicht gut wegzukommen scheint. Unter anderem wurde von Werner Eckert, dem Leiter der SWR-Redaktion ‚Umwelt und Ernährung‘ gesagt, dass der Begriff Klimakrise irreführend sei. Eine Krise, so wird begründet, sei entweder lösbar oder gehe wieder vorbei. Somit sei eine Krise etwas episodenhaftes. Durch die Verwendung des Begriffs Klimakrise würde eine falsche Fährte gelegt werden, da die durch den Menschen verursachten Klimaveränderungen nicht wieder vorbeigehen und eine Lösung des Problems – so Eckert – unendlich weit entfernt sei.

Dies ist ein interessantes Argument, das auf der Bedeutung des Wortes Krise aufbaut. Aber ich bin nicht sicher, ob die Argumentation wirklich stichhaltig ist. Statt auf diese Argumentation möchte ich aber heute auf die Sprachreflexion eingehen. Die Argumentation des Guardians aber auch Werner Eckerts zeigt deutlich, dass die Wahl eines Begriffs nicht beliebig ist. Wir benutzen sprachliche Ausdrücke nicht nur um auf Objekte, Sachverhalte oder Geschehnisse in der Welt Bezug zu nehmen. Durch die Wahl verschiedener Begriffe können wir ein und dasselbe Geschehen unterschiedlich beschreiben und damit diesem Geschehen eine Bewertung (‚es ist ein Problem und muss gelöst werden‘) oder Eigenschaften (‚es ist episodisch‘, ‚es ist (potentiell) lösbar‘) zuschreiben. In der Sprachwissenschaft (und Sprachphilosophie) ist diese Erkenntnis schon länger bekannt und wird im Rahmen der sogenannten ‚Sprechakttheorie‘ thematisiert. Eine wesentliche Einsicht der Sprechakttheorie ist, dass Sprache nicht nur dazu dient die Welt zu beschreiben. Vielmehr vollziehen wir Handlungen mittels Sprache. Wenn wir sprechen, wollen wir etwas mit unserem Sprechen bewirken. Wenn Klimaaktivist*innen über die durch den Menschen verursachten Klimaveränderungen sprechen, wollen sie nicht nur die Wirklichkeit beschreiben. Vielmehr geht es ihnen (oftmals) darum, dass sie das Handeln anderer Menschen beeinflussen.

Ob man von Klimakrise oder Klimawandel spricht, ist keine rein akademische Frage. Vielmehr ist es eine in der Klimadebatte ganz zentrale Entscheidung, denn (i) die Begriffe bedeuten unterschiedliches, (ii) die Wahl eines Begriffs sagt etwas über die Sprecher*innen Einstellung aus und (iii) das Reden über Klimaveränderungen ist kein Selbstzweck, sondern soll andere Menschen zu konkretem Handeln bewegen. Daher sollte man fragen, welcher Begriff ist adäquat um das auszudrücken, was ich (explizit und implizit) mitteilen möchte? Aber auch: mit welchem Begriff kann ich meine Ziele – etwa Menschen zu mehr Klimaschutz zu bewegen – am besten erreichen? 

Ich möchte mich in nächster Zeit mit der Frage ‚Klimawandel oder Klimakrise‚ ausführlicher beschäftigen und meine Überlegungen zur Bedeutung und zum Gebrauch der Begriffe hier vorstellen.

Nachtrag (04.08.2022): Im Nachwort des Buches ‚Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Poltische Sprache und ihre heimliche Macht‚ von George Lakoff & Elisabeth Wehling wird von Elisabeth Wehling das Begriffspaar Klimawandel vs. Klimakrise angesprochen. Dort heißt es auf Seite 182, dass Klimawandel ein neutraler Begriff sei, der keien Verschlechterung eines Zustandes (sondern nur eine Veränderung) impliziere und somit keinen akuaten Handlungsbedarf nach sich zieht. Ich bin auf dieser Passage erst aufmerksam geworden, nachdem ich meinen Beitrag schon geschrieben hatte. Die Analyse steht im Einklang mit meiner Sicht auf das Thema, wird von Elisabeth Wehling aber ergänzend in Lakoffs Metapherntheorie eingebettet. Demnach ist die Wahl eines der Begriffe eine (bewusste) Entscheidung, die gefällt wird, auf Grund der Implikationen, die diese Begriffe haben (oder auch nicht haben). Für mich ist eine der wesentlichen Äußerungen Lakoffs in dem Buch, dass es in der politischen Debatte kaum wertfreie Sprache gebe. Dass Klimakrise ein wertender Begriff ist, hatte ich oben schon ausgeführt. Die Vermeidung dieses Begriffs und die Verwendung von Klimawandel als Alternativbegriff ist ebenso wertend, da bewusst die Implikationen, die der der Begriff Krise mit sich führt, ausgeklammert werden. Zudem wird bewusst eine angeblich neutrale Sichtweise gewählt, die die Klimaveränderungen nur beschrieben, nicht bewerten. In der politischen Debatte isi dies, bedingt durch die Existenz des Begriffspaars Klimawandel vs. Klimakrise, aber gerade nicht neutral. Aber die Debatte ist dann doch noch komplexer, da es nicht nur um Wertung geht, sondern auch um die Frage, ob der Begriff Krise tatsächlich angemessen ist. Auf diesen Aspekt gehe ich etwas genauer in meinem Beitrag ‚Die CDU über die Klimakrise‚ ein.