Über den VDS und dessen unklarer Position zur ‚Leichten Sprachen‘
Der VDS – Verein für deutsche Sprache – ist ein in Dortmund ansässiger Verein, der sich die Pflege der deutschen Sprache zum Ziel gesetzt hat. Insbesondere fällt der Verein durch seinen Einsatz gegen die Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Verwaltung, Schulen und Medien auf. Der VDS ist aber kein One-Hit-Wonder sondern in verschiedenen Bereichen aktiv. Aber irgendwie ist nicht immer klar, welche Position der Verein nun vertritt. Dies wurde bei einer kleinen Auseinandersetzung zum Thema ‚Leichte Sprache‘ deutlich.
‚Leichte Sprache‘ ist eine künstliche Varietät des Deutschen. Die Zielsetzung hinter der Verwendung dieser Varietät ist eine barrierefreie Kommunikation. ‚Leichte Sprache‘ ist im Hinblick auf die Grammatik vereinfacht und es gibt konkrete Gebrauchsvorschläge, die unter anderen die Komplexität von Sätzen und die Typographie geschriebener Sprache betreffen.
Auf den Seiten des VDS-Region Dresden steht zum Thema ‚Leichte Sprache‘:
Wir versuchen, immer mehr Menschen auf die wachsende Verunglimpfung der deutschen Sprache durch die „politisch-korrekte“ Gendersprache und die sogenannte Leichte Sprache aufmerksam zu machen, denn dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden.
(https://vds-ev.de/regionale-infoseiten/infoseite-region-01/)
‚Leichte Sprache‘ wird als Verunglimpfung der deutschen Sprache bezeichnet und steht auf einer Ebene mit dem ultimativen Bösen – der ‚Gendersprache‘. Würde mensch vermuten, dass der VDS positiv zum Thema ‚Leichte Sprache‘ eingestellt ist? Vermutlich nicht. Davon bin ich auch nicht ausgegangen und fragte den VDS via Twitter, wieso sie gegen ‚Leichte Sprache‘ stellen. Anlass war folgender Tweet des VDS:
Wer nicht gendert, ist verdächtig. Weil man automatisch rückwärtsgewandt sein muss, wenn man auf eine verständliche Sprache Wert legt. So zumindest die Logik der Genderbefürworter, die im Denunziantentum den neuen Heilsbringer sehen.
(https://twitter.com/VDS_weltweit/status/1638180895835279361?s=20)
Wenn also Gendern aufgrund von Verständlichkeit abgelehnt wird, sollte mensch doch die Verwendung leichter Sprache nicht auch ablehnen können. Denn immerhin geht es dabei doch um Verständlichkeit. Der VDS reagierte irritiert und fragte, wie ich denn auf so eine Idee käme. Nachdem ich den Hinweis auf die Webseite des VDS-Region Dresden gepostet hatte, kam als Antwort:
Besser googeln lernen. Leichte Sprache dort, wo sie Menschen hilft, die die Normsprache überfordert. Den ersten Link zur Suche hast du vermutlich nur „übersehen“. Aber schön, dass dir nicht langweilig mit uns wird.
(https://twitter.com/VDS_weltweit/status/1638426808801525762?s=20)
Unterstellt mir der VDS, dass ich absichtlich etwas Entlastendes übersehen hätte? Die Anführungszeichen legen es zumindest nahe. Sehen wir uns einmal an, worauf der VDS da verweist. Unter folgendem Link, der zu dem Tweet gehört, findet sich ein Artikel aus der Vereinszeitung des VDS: https://t.co/hhxfRVQhus. In den Sprachnachrichten (so der Name der Vereinszeitung) aus dem Jahr 2015 hatten Gloria Nsimba und Reiner Pogarell einen Artikel mit dem Titel „Leichte Sprache – der Rollstuhl unter den Ausdrucksformen“ veröffentlicht. Unabhängig davon, was in dem Artikel steht, es ist nur ein Artikel in der Vereinszeitung des VDS. Es ist keine öffentliche Verlautbarung des VDS.
Mir stellt sich die Frage, ob denn nun die Autor*innen offiziell für den VDS sprechen oder nicht? Es erscheint mir nicht unmittelbar evident, dass ein Beitrag zweier Autor*innen als die offizielle Position des VDS angesehen werden kann, während ein offizielles Statement auf einer VDS-Seite dies nicht ist. Aber gut, nachfragen kann mensch ja. Ich habe mehrfach den VDS gefragt, ob denn nun Nsimbas und Pogarells Beitrag die offizielle Position des VDS darstellt und wenn ja, ob dies auch der VDS-Region Dresden weiß. Der VDS wollte darauf nicht wirklich antworten, irgendwann kam die genervte Antwort:
Du hast vor 3 Tagen eine Antwort dazu bekommen. Wenn dir immer noch langweilig ist, rede mit dir oder anderen übers Klima.
(https://twitter.com/VDS_weltweit/status/1639632618760159232?s=20)
Drei Tage zuvor kam aber nur der Verweis auf den Artikel in der Vereinspostille. Anscheinend wurde meine Nachfrage beim VDS nicht verstanden. Noch einmal zur Erklärung: Die Autor*innen eines Artikels sind für den Artikel verantwortlich und die Aussagen, die in dem Artikel gemacht werden, sind ihnen zuzuordnen. Die Autor*innen des vom VDS verlinkten Artikels sind Nsimba und Pogarell und mit keinem Wort steht dort, dass sie für den VDS sprechen oder in irgendeiner Form die Sicht des Vereins darlegen. Anders sieht es aus, wenn eine Webseite ganz offiziell dem VDS zuzuordnen ist. Die Seite der VDS-Region Dresden stellt eine Unterseite der VDS Webseite dar und sollte somit durchaus einen offiziellen Status haben!
Damit bleibt eigentlich nur eine Schlussfolgerung übrig: die einzige offizielle Äußerung des VDS zur ‚Leichten Sprachen‘ ist negativ und beschreibt diese als ‚Verunglimpfung der deutschen Sprache‘. Damit widerspricht sich der VDS selbst. Die Darstellung in den Tweets passt nicht zu der Darstellung auf der Webseite. Der VDS hätte die Chance gehabt dies als Antwort auf meine Tweets anders darzulegen, aber diese Chance wurde nicht genutzt. Es wäre sicherlich sinnvoll, wenn die für die öffentliche Darstellung verantwortlichen Personen sich einmal mit dem Thema ‚Autorenschaft‘ auseinandersetzen.
Der Verein für deutsche Sprache ist nicht an einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Position interessiert. Es ging nicht einmal wirklich um eine Diskussion inhaltlicher Fragen sondern nur darum, welche Äußerungen des VDS unmittelbar zugeordnet werden können und welche nicht. Leider hat der VDS nicht verstanden und tut so als würden Beiträge irgendwelcher Autor*innen mehr für sie sprechen als offizielle Äußerungen auf der VDS-Seite.
Die Diskussion entlarvt sehr schön, dass ‚Verständlichkeit‘ nur ein vorgeschobenes Argument gegen Gendern darstellt. Dem VDS geht es nicht um eine verständliche (inklusive) Sprache, sondern um ein Deutsch im Sinne des Vereins. Das ist ein Deutsch ohne ‚Denglisch‘, ohne ‚Gendersprache‘ und ohne ‚Leichte Sprache‘.
Aber vielleicht ist der VDS ja wirklich nicht gegen ‚Leichte Sprache‘? Dann wäre es aber auch gut, wenn dies und nicht das Gegenteil auf dem Internetseite des VDS zu lesen wäre. Ein Tipp lieber VDS: vielleicht sucht ihr auch einmal das Gespräch mit eurer Regionalgruppe in Dresden, da ist eventuell noch Überzeugungsarbeit hinsichtlich der Akzeptanz leichter Sprache zu leisten.
Nachtrag 30.05.2023: Ich nerve und nerve den VDS, aber was passiert? Nix! Der VDS weigert sich auf die Kritik einzugehen und tritt weiterhin mit dem Argument auf, dass Gendern zu komplex sei und Menschen, die es nötig hätten, durch Gendern ausgeschlossen werden würden. Vielleicht trifft das Argument zu, aber es ist schal, wenn es von einem Verein kommt, der Leichte Sprache ablehnt. Der VDS schweigt zu dieser Kritik hartnäckig, ob das wohl als Eingeständnis dafür, dass die Kritik absolut zutreffend ist, gewertet werden kann?
Nachtrag 23.02.2024: Bislang habe ich keine Reaktion des VDS bezüglich meiner wiederholten Anfrage, warum denn der Verein geschlechtergerechte Sprache ablehnt, da dies vermeintlich zu komplex sei, zugleich aber ein Statement des Vereins kursiert, in dem Leichte Sprache abgelehnt wird. Mittlerweile ist das entsprechende Zitat, wie auch die Präsenz des Ortsverbandes Dresden, nicht mehr online. Über die Gründe kann ich nur spekulieren, immerhin ist ja in der Zwischenzeit so einiges geschehen, was auch den VDS in die Öffentlichkeit rückte. Vielleicht waren solche Äußerungen einfach nicht mehr passend? Egal, denn über das obige Zitat hat bereits Gerd Antos in seinem Aufsatz Ist der Laie der Dumme? geschrieben (Gerd Antos. 2021. Ist der Laie der Dumme? In Toke Hoffmeister, Markus Hundt & Saskia Naths (Hrsg.). Laien, Wissen, Sprache, S. 25-48. Berlin: De Gruyter). Es ist also nicht aus der Welt geschaffen…
.