Archiv für den Monat: März 2023

Heinrich Heine, guillotinieren und die moderne Sprachwissenschaft

Heinrich Heines (ungewollter) Beitrag zur Verbsemantik

Was hat Heinrich Heine – Namenspatron der Düsseldorfer Universität – mit moderner Sprachwissenschaft zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Trotzdem kann man Heine, bzw. sein ‚Wintermärchen‘, elegant in aktuelle Debatten im Bereich der Verbsemantik einbringen.

Als ich vor rund zehn Jahren – also 2013 – meiner späteren Vermieterin sagte, dass ich Sprachwissenschaftler sei und mich mit Verbsemantik beschäftigen würde, entgegnete sie: „Prima, dann können Sie mir sagen, ob ich die Verben in meinen Gedichten richtig verwende“. Die gute Dame las mir dann noch über eine Stunde selbstgeschriebene, holprige Gedichte vor, aber ich musste glücklicherweise als Sprachwissenschaftler keine Stellung zur richtigen Verbverwendung beziehen. Auch wenn ich die Äußerung der Dame im ersten Moment etwas absurd fand, so muss ich doch zugestehen, dass dies eine Fragestellung ist, der Sprachwissenschaftler*innen durchaus nachgehen. Die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks kann durch die Verwendungskontexte, in denen dieser Ausdruck vorkommen kann, bestimmt werden.

In welchen Verwendungskontexten kann zum Beispiel das Verb töten vorkommen? Ist es möglich zu sagen: ‚Lee Harvey Oswald tötete Kennedy, Kennedy ist aber nicht tot‘? Wenn es in beiden Fällen derselbe Kennedy ist, dann funktioniert dies nicht gut. Das Verb töten impliziert, dass die Person, auf die sich das Objektargument bezieht, am Ende tot ist. Sprachwissenschaftler*innen sprechen davon, dass töten ein sogenannten Resultatsverb ist, denn es bezeichnet das Resultat – ‚tot sein‘ – einer Handlung.

Das Verb töten sagt also etwas über das Resultat einer Handlung aus, aber wie wird diese Handlung ausgeführt? Töten kann auf sehr unterschiedliche Weisen erfolgen, zum Beispiel mit einem Schwert. Wird eine Person mit einem Schwert getötet, dann bedeutet dies, dass diese Person erschlagen oder erstochen wurde. Alternativ kann aber auch mit einer Pistole getötet werden, wobei dann durch einen Schuss aus der Pistole oder einen Schlag mit der Pistole getötet wurde. Es sind verschiedene Arten des Tötens denkbar, das Verb töten ist mit (vermutlich) allen kompatibel. Damit ist töten kein Verb der Art und Weise, da es  in seiner Bedeutung die Art und Weise der Handlung nicht festlegt.

Andere Verben sind anders. Viele Verben legen in ihrer Bedeutung die Art und Weise einer Handlung, aber kein Resultat fest. Hüpfen, tanzen, steppen, springen sind Verben, die eine bestimmte Art der Bewegung bezeichnen. Sich hüpfend bewegen ist eine andere Form der Bewegung als sich springend, tanzend oder steppend zu bewegen. Die Bewegungen können auf der Stelle ausgeführt werden, wichtig ist aber. Das Ziel der Bewegung musss explizit gemacht werden in die Bücherei hüpfen/ tanzen/ steppen/ springen. Nicht das Verb, sondern die Präpositionalphrase – in die Bücherei – gibt das Resultat – also das Ziel der Bewegung – an.

Verschiedene Linguist*innen haben die Hypothese aufgestellt, dass Verbbedeutungen nicht beliebig komplex sein können. Ein Verb ist entweder ein Resultatsverb oder ein Verb der Art und Weise. Verben, die in ihrer Bedeutung sowohl ein Resultat als auch die Art und Weise der Erreichung des Resultats kodieren, soll es nicht geben.

John Beavers und Andrew Koontz-Garboden, zwei amerikanische Sprachwissenschaftler, haben diese Hypothese angezweifelt. Es gibt Verben, so die beiden, die sowohl ein Resultatkomponente als auch eine Art und Weise-Komponente in ihrer Bedeutung beinhalten. Als Beispiele führen sie Verben des Tötens an. Leider gehört töten selbst gerade nicht in diese Klasse aber dafür englische Verben wie guillotine auf Deutsch guillotinieren oder electrocude,das man auf Deutsch als ‚durch einen Stromschlag/ auf dem elektrischen Stuhl töten‘ übersetzen kann. Diese Verben drücken aus, dass eine Person am Ende tot ist und sagen zusätzlich etwas darüber aus, wie dieses töten erfolgt.

Das Deutsche hat auch einige Verben, die in diese Klasse gehören. Aber die meisten dieser Verben sind komplex und enthalten zum Beispiel das Präfix er-, wie in erdolchen ‚mit einem Dolch töten‘, erwürgen ‚durch Würgen töten‘ oder erschießen ‚durch Schießen töten‘. Nun kommt aber dann endlich Heinrich Heine ins Spiel. Heine hat sehr schön darauf hingewiesen, dass es Verben gibt, die einerseits nicht komplex sind und anderseits Resultat und Art und Weise in ihrer Bedeutung spezifizieren.

In „Deutschland ein Wintermärchen“ reist der Ich-Erzähler durch Deutschland und trifft irgendwann auf Barbarossa, der seit längerer Zeit in einer Höhle ruht und daher die neuesten Entwicklungen in Deutschland und der Welt verpasst hat. Er lässt sich dann erst einmal auf den aktuellen Stand bringen und die Rede kommt dann auf die neueste Mode aus Frankreich – guillotinieren:  

Der Kaiser blieb plötzlich still stehn,
Und sah mich an mit den stieren
Augen und sprach „Um Gottes willn,
Was ist das, guillotinieren?“
Das Guillotinieren – erklärte ich ihm –
Ist eine neue Methode,
Womit man die Leute jeglichen Stands
Vom Leben bringt zu Tode.
Bei dieser Methode bedient man sich
Auch einer neuen Maschine,
Die hat erfunden Herr Guillotin,
Drum nennt man sie Guillotine.
Du wirst hier an ein Brett geschnallt; –
Das senkt sich; – du wirst geschoben
Geschwinde zwischen zwei Pfosten; – es hängt
Ein dreieckig Beil ganz oben; –
Man zieht eine Schnur, dann schießt herab
Das Beil, ganz lustig und munter; –
Bei dieser Gelegenheit fällt dein Kopf
In einen Sack hinunter.

(Heinrich Heine: Deutschland ein Wintermärchen, Caput XVI; https://www.projekt-gutenberg.org/heine/wintmrch/wintmr16.html)

Heine beschreibt das Guillotinieren sehr klar als auf eine bestimmte Art und Weise zu töten. Damit hat Heine aufgezeigt, dass es Verben gibt, die sowohl ein Resultat als auch eine Art und Weise spezifizieren. Und das auch noch einige Jahrzehnte bevor diese Frage in der modernen Sprachwissenschaft überhaupt auf Trapez kam. Heine argumentiert zwar nicht sprachwissenschaftlich, seziert die Verbbedeutung von guillotinieren aber trotzdem sehr treffend.

Zur Komplementarität von Resulats- und Art und Weise-Komponenten gibt es zahlreiche Aufsätze. Hier nur ein paar Quellenangaben:

Rappaport Hovav, Malka & Beth Levin. 2010. Reflections on Manner/Result Complementarity. In Malka Rappaport Hovav, Edit Doron & Ivy Sichel (Hrsg.). Lexical Semantics, Syntax, and Event Structure. Oxford: Oxford University Press. Seiten: 21-38.

Beavers, John & Andrew Koontz-Garboden. 2012. Manner and Result in the Roots of Verbal Meaning. Linguistic Inquiry 43 (3): 331-369.

‚Leichte Sprache‘ ist eine Verunglimpfung des Deutschen

Über den VDS und dessen unklarer Position zur ‚Leichten Sprachen‘

Der VDS – Verein für deutsche Sprache – ist ein in Dortmund ansässiger Verein, der sich die Pflege der deutschen Sprache zum Ziel gesetzt hat. Insbesondere fällt der Verein durch seinen Einsatz gegen die Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Verwaltung, Schulen und Medien auf. Der VDS ist aber kein One-Hit-Wonder sondern in verschiedenen Bereichen aktiv. Aber irgendwie ist nicht immer klar, welche Position der Verein nun vertritt. Dies wurde bei einer kleinen Auseinandersetzung zum Thema ‚Leichte Sprache‘ deutlich.

‚Leichte Sprache‘ ist eine künstliche Varietät des Deutschen. Die Zielsetzung hinter der Verwendung dieser Varietät ist eine barrierefreie Kommunikation. ‚Leichte Sprache‘ ist im Hinblick auf die Grammatik vereinfacht und es gibt konkrete Gebrauchsvorschläge, die unter anderen die Komplexität von Sätzen und die Typographie geschriebener Sprache betreffen.

Auf den Seiten des VDS-Region Dresden steht zum Thema ‚Leichte Sprache‘:

Wir versuchen, immer mehr Menschen auf die wachsende Verunglimpfung der deutschen Sprache durch die „politisch-korrekte“ Gendersprache und die sogenannte Leichte Sprache aufmerksam zu machen, denn dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden.   

(https://vds-ev.de/regionale-infoseiten/infoseite-region-01/)

‚Leichte Sprache‘ wird als Verunglimpfung der deutschen Sprache bezeichnet und steht auf einer Ebene mit dem ultimativen Bösen – der ‚Gendersprache‘. Würde mensch vermuten, dass der VDS positiv zum Thema ‚Leichte Sprache‘ eingestellt ist? Vermutlich nicht. Davon bin ich auch nicht ausgegangen und fragte den VDS via Twitter, wieso sie gegen ‚Leichte Sprache‘ stellen. Anlass war folgender Tweet des VDS:

Wer nicht gendert, ist verdächtig. Weil man automatisch rückwärtsgewandt sein muss, wenn man auf eine verständliche Sprache Wert legt. So zumindest die Logik der Genderbefürworter, die im Denunziantentum den neuen Heilsbringer sehen.

(https://twitter.com/VDS_weltweit/status/1638180895835279361?s=20)

Wenn also Gendern aufgrund von Verständlichkeit abgelehnt wird, sollte mensch doch die Verwendung leichter Sprache nicht auch ablehnen können. Denn immerhin geht es dabei doch um Verständlichkeit. Der VDS reagierte irritiert und fragte, wie ich denn auf so eine Idee käme. Nachdem ich den Hinweis auf die Webseite des VDS-Region Dresden gepostet hatte, kam als Antwort:

Besser googeln lernen. Leichte Sprache dort, wo sie Menschen hilft, die die            Normsprache überfordert. Den ersten Link zur Suche hast du vermutlich nur „übersehen“. Aber schön, dass dir nicht langweilig mit uns wird.

(https://twitter.com/VDS_weltweit/status/1638426808801525762?s=20)

Unterstellt mir der VDS, dass ich absichtlich etwas Entlastendes übersehen hätte? Die Anführungszeichen legen es zumindest nahe. Sehen wir uns einmal an, worauf der VDS da verweist. Unter folgendem Link, der zu dem Tweet gehört, findet sich ein Artikel aus der Vereinszeitung des VDS: https://t.co/hhxfRVQhus. In den Sprachnachrichten (so der Name der Vereinszeitung) aus dem Jahr 2015 hatten Gloria Nsimba und Reiner Pogarell einen Artikel mit dem Titel „Leichte Sprache – der Rollstuhl unter den Ausdrucksformen“ veröffentlicht. Unabhängig davon, was in dem Artikel steht, es ist nur ein Artikel in der Vereinszeitung des VDS. Es ist keine öffentliche Verlautbarung des VDS.

Mir stellt sich die Frage, ob denn nun die Autor*innen offiziell für den VDS sprechen oder nicht? Es erscheint mir nicht unmittelbar evident, dass ein Beitrag zweier Autor*innen als die offizielle Position des VDS angesehen werden kann, während ein offizielles Statement auf einer VDS-Seite dies nicht ist. Aber gut, nachfragen kann mensch ja. Ich habe mehrfach den VDS gefragt, ob denn nun Nsimbas und Pogarells Beitrag die offizielle Position des VDS darstellt und wenn ja, ob dies auch der VDS-Region Dresden weiß. Der VDS wollte darauf nicht wirklich antworten, irgendwann kam die genervte Antwort:

Du hast vor 3 Tagen eine Antwort dazu bekommen. Wenn dir immer noch langweilig ist, rede mit dir oder anderen übers Klima.

(https://twitter.com/VDS_weltweit/status/1639632618760159232?s=20)

Drei Tage zuvor kam aber nur der Verweis auf den Artikel in der Vereinspostille. Anscheinend wurde meine Nachfrage beim VDS nicht verstanden. Noch einmal zur Erklärung: Die Autor*innen eines Artikels sind für den Artikel verantwortlich und die Aussagen, die in dem Artikel gemacht werden, sind ihnen zuzuordnen. Die Autor*innen des vom VDS verlinkten Artikels sind Nsimba und Pogarell und mit keinem Wort steht dort, dass sie für den VDS sprechen oder in irgendeiner Form die Sicht des Vereins darlegen. Anders sieht es aus, wenn eine Webseite ganz offiziell dem VDS zuzuordnen ist. Die Seite der VDS-Region Dresden stellt eine Unterseite der VDS Webseite dar und sollte somit durchaus einen offiziellen Status haben!

Damit bleibt eigentlich nur eine Schlussfolgerung übrig: die einzige offizielle Äußerung des VDS zur ‚Leichten Sprachen‘ ist negativ und beschreibt diese als ‚Verunglimpfung der deutschen Sprache‘. Damit widerspricht sich der VDS selbst. Die Darstellung in den Tweets passt nicht zu der Darstellung auf der Webseite. Der VDS hätte die Chance gehabt dies als Antwort auf meine Tweets anders darzulegen, aber diese Chance wurde nicht genutzt. Es wäre sicherlich sinnvoll, wenn die für die öffentliche Darstellung verantwortlichen Personen sich einmal mit dem Thema ‚Autorenschaft‘ auseinandersetzen.

Der Verein für deutsche Sprache ist nicht an einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Position interessiert. Es ging nicht einmal wirklich um eine Diskussion inhaltlicher Fragen sondern nur darum, welche Äußerungen des VDS unmittelbar zugeordnet werden können und welche nicht. Leider hat der VDS nicht verstanden und tut so als würden Beiträge irgendwelcher Autor*innen mehr für sie sprechen als offizielle Äußerungen auf der VDS-Seite.

Die Diskussion entlarvt sehr schön, dass ‚Verständlichkeit‘ nur ein vorgeschobenes Argument gegen Gendern darstellt. Dem VDS geht es nicht um eine verständliche (inklusive) Sprache, sondern um ein Deutsch im Sinne des Vereins. Das ist ein Deutsch ohne ‚Denglisch‘, ohne ‚Gendersprache‘ und ohne ‚Leichte Sprache‘.

Aber vielleicht ist der VDS ja wirklich nicht gegen ‚Leichte Sprache‘? Dann wäre es aber auch gut, wenn dies und nicht das Gegenteil auf dem Internetseite des VDS zu lesen wäre. Ein Tipp lieber VDS: vielleicht sucht ihr auch einmal das Gespräch mit eurer Regionalgruppe in Dresden, da ist eventuell noch Überzeugungsarbeit hinsichtlich der Akzeptanz leichter Sprache zu leisten.

Nachtrag 30.05.2023: Ich nerve und nerve den VDS, aber was passiert? Nix! Der VDS weigert sich auf die Kritik einzugehen und tritt weiterhin mit dem Argument auf, dass Gendern zu komplex sei und Menschen, die es nötig hätten, durch Gendern ausgeschlossen werden würden. Vielleicht trifft das Argument zu, aber es ist schal, wenn es von einem Verein kommt, der Leichte Sprache ablehnt. Der VDS schweigt zu dieser Kritik hartnäckig, ob das wohl als Eingeständnis dafür, dass die Kritik absolut zutreffend ist, gewertet werden kann?

Nachtrag 23.02.2024: Bislang habe ich keine Reaktion des VDS bezüglich meiner wiederholten Anfrage, warum denn der Verein geschlechtergerechte Sprache ablehnt, da dies vermeintlich zu komplex sei, zugleich aber ein Statement des Vereins kursiert, in dem Leichte Sprache abgelehnt wird. Mittlerweile ist das entsprechende Zitat, wie auch die Präsenz des Ortsverbandes Dresden, nicht mehr online. Über die Gründe kann ich nur spekulieren, immerhin ist ja in der Zwischenzeit so einiges geschehen, was auch den VDS in die Öffentlichkeit rückte. Vielleicht waren solche Äußerungen einfach nicht mehr passend? Egal, denn über das obige Zitat hat bereits Gerd Antos in seinem Aufsatz Ist der Laie der Dumme? geschrieben (Gerd Antos. 2021. Ist der Laie der Dumme? In Toke Hoffmeister, Markus Hundt & Saskia Naths (Hrsg.). Laien, Wissen, Sprache, S. 25-48. Berlin: De Gruyter). Es ist also nicht aus der Welt geschaffen…

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Klimademo in Viersen

Redebeitrag auf der Klimademo am 3.3.2023 in Viersen

Heute starten wir in der Kreisstadt Viersen die Aktionstage Klimaneutralität. Morgen setzen wir diese Aktionstage von 11 bis 15 Uhr mit Informationsständen in der Lobbericher Innenstadt fort. Unsere heutige Klimademo, die die Parents for Future Kreis Viersen und Fridays for Future Nettetal – mit Unterstützung weiterer Gruppen – organisiert hat, steht ebenfalls unter der Überschrift ‚Klimaneutralität‘.

Unser Anliegen ist es, dass die Städte des Kreises Viersen bis zum Jahr 2030 klimaneutral sind, das heißt, dass nicht mehr CO2 emittiert wird als durch entsprechende Maßnahmen auch wieder aufgefangen werden kann.

Um dies zu erreichen, brauchen wir insbesondere eine Energie- und Mobilitätswende. Der heutige Klimastreik der for Future-Bewegung schiebt die notwendige Mobilitätswende in den Fokus. Dazu werden wir gleich noch weitere Redebeiträge hören. Ich möchte aber kurz auf ein paar andere Aspekte eingehen.

Unsere Demonstration startet heute am Platz der Kinderrechte, den der Kinderschutzbund letztes Jahr hier eingeweiht hat. Die Wahl dieses Ortes ist kein Zufall, denn die Klimakrise bedroht insbesondere die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Zwar bekommen wir schon jetzt die Auswirkungen der Klimakrise zu spüren, aber die negativen Auswirkungen werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch deutlich zunehmen. Wer Kinderrechte erst nimmt, muss auch Klimaschutz ernst nehmen. Ohne konsequente Klimaschutzmaßnahmen übergeben wir unseren Kindern und Enkeln eine überhitze Welt und übergehen ihr Recht darauf, in einer intakten Welt aufzuwachsen und zu leben. Noch können wir versuchen, die schlimmsten Auswirkungen der drohenden Klimakatastrophe abzumildern. Aber dazu müssen wir heute handeln – morgen ist es zu spät!

Wir haben gerade einmal den 3. März, aber klimapolitisch startete 2023 mehr als turbulent. Die FDP spielt eine strikte Blockaderolle in der Verkehrspolitik und verweigert sich allen sinnvollen klimapolitischen Maßnahmen im Verkehrssektor. Aber schon früher im Jahr ereignete sich, was abzusehen war. Lützerath wurde geräumt.  

Lützerath wurde – wie wir wahrscheinlich alle wissen – geräumt, damit RWE die drunter befindliche Kohle abbaggern kann. Bis mindestens 2030 wird der rheinische Tagebau und die dazu gehörenden Kohlekraftwerke weiterhin einer der größten CO2-Emittenten Europas sein.

2030 soll wohl – mehr oder weniger – Schluss sein mit dem Tagebau. Aber bis dahin muss die Energiewende deutlich vorangeschritten sein, damit die Braunkohlekraftwerke auch tatsächlich abgeschaltet werden. Dieser Ausstieg aus der fossilen Energie kann nur erfolgreich sein, wenn wir CO2-neutrale Energieträger – insbesondere Sonne, Wind und Wasser – noch stärker nutzen als bisher. Gerade den Kommunen kommt dabei eine wichtige Rolle zu, da sie insbesondere den Ausbau von Solarenergie fördern und vorantreiben können. Für die Kommunen des Kreises Viersen fordern wir daher eine sofortige Solarpflicht auf öffentlichen Dächern und für alle Neubauten.  

Die Verantwortung für den Klimaschutz können wir nicht delegieren. Das Verhalten der FDP macht deutlich, dass wir konsequenten Klimaschutz nicht bekommen, wenn wir uns darauf verlassen, dass die Politik dies schon alleine regeln wird. Klimaschutz müssen wir in unsere Hand nehmen und eine konsequente Umsetzung effektiver Klimaschutzmaßnahmen nicht nur fordern, sondern auch für ihre Umsetzung einstehen. Das machen wir heute, indem wir mit Menschen in aller Welt auf die Straße gehen und allen Verantwortlichen – in Politik, Verwaltung und Wirtschaft – unsere Forderungen darlegen:

Wir fordern eine echte Energiewende, das heißt eine sofortige Abkehr von fossilen Energieträgern.

Wir fordern eine sozial-ökologische Verkehrswende, die nicht das Auto, sondern klimaneutrale Fortbewegungsmittel und den öffentlichen Personennahverkehr in den Mittelpunkt der Verkehrsplanung stellt 

Wir fordern, dass unsere Städte bis 2030 klimaneutral sind. Aber das gelingt nicht, wenn Firmen, die in unserem Kreis ansässig sind, mit ihren blauen Baggern am Tagebau Garzweiler buchstäblich die 1,5 Grad-Grenze einreißen.

Gemeinsam demonstrieren wir heute für diese Forderungen in der Kreisstadt Viersen. Weltweit haben Menschen die gleichen Forderungen und gehen dafür überall auf die Straße. Leider mussten wir heute hören, dass Menschen nicht überall friedlich für Klimaschutz demonstrieren können. In Nairobi wurde die Demonstration von Fridays for Future angegriffen, Aktivisten wurden dabei verletzt. Daher ist es umso wichtiger, dass wir dort, wo wir ungefährdet demonstrieren können, auf die Straße gehen und denen, deren Protest in Gewalt erstickt wird, eine Stimme geben. Daher sollten wir heute besonders laut sein, auch für die, die es nicht sein können.

Rede am 3.3.2023

Anmerkung: Die Klimademo am 3.3.2023 startete am Rathausmarkt in Viersen. Eine Ecke des Platzes ist in ‚Platz der Kinderrechte‘ benannt worden. Der Redebeitrag war die Eröffnungsrede der Demo, der weitere Redebeiträge unter anderem zum Thema Mobilitätswende folgten.