Pumpen für Kohle

RWE beantragt die Fortführung der Grundwasserentnahme um den Tagebau Garzweiler II forsetzen zu können

Für den Braunkohletagebau Garzweiler II hat RWE eine Wasserentnahmegenehmigung, die bis zum 31.12.2023 erreicht. Damit RWE über diesen Zeitraum hinweg weiter den Tagebau betreiben kann, muss eine neue Wasserentnahmegenehmigung beantragt werden. Das hat RWE im Frühjahr 2022 getan und einen Antrag auf „Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis zur Fortsetzung der Entnahme und Ableitung von Grundwasser für die Entwässerung des Tagebaus Garzweiler II“ für den Zeitraum 2024 bis 2030 gestellt. Im Oktober soll nun das Anhörungsverfahren stattfinden, bei dem Einsprüche gegen den Antrag vorgebracht werden können. Über das Anhörungsverfahren hat die zuständige Regierungsbehörde Arnsberg in ihrem Amtsblatt informiert.

Der Antrag, der sich aus einem Hauptdokument und diversen Anhängen zusammensetzt, konnte online auf den Seiten der Regierungsbehörde Arnsberg eingesehen werden. Gestellt wurde der Antrag vor der Landtagswahl in NRW, daher geht es nicht konform mit einigen Versprechen, die die schwarz-grüne Landesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung gab. Daher ist es ganz besonders wichtig darauf zu schauen, was RWE eigentlich beantragt hat, was genehmigt wird und welche Versprechen die Landesregierung gab.

An dieser Stelle will und kann ich gar nicht auf alle Aspekte, die im Antrag stehen, eingehen. Ich möchte jedoch ein paar Aussagen des Antrags aufnehmen und andiskutieren.  

Hintergrund des Antrags

Hintergrund des Antrags ist, dass die Sümpfung – also das Abpumpen des Grundwassers im Tagebau Garzweiler II – zeitlich befristet ist und zwar bis zum 31.12.2023. Nun möchte RWE die wasserrechtliche Erlaubnis für die Fortführung der Sümpfungsmaßnahmen bis 31.12.2030 erhalten. Die Sümpfungsmaßnahmen sind notwendig, damit die Sicherheit des Tagebaus gewährleistet wird. Ansonsten würde Grundwasser über die Böschungen oder die Sohle des Tagebaus eindringen können. Eine Folge der Sümpfung ist eine großflächige Absenkung des Grundwasserspiegels, die rund 10% der Landesfläche NRWs betrifft. Zu den Sümpfungsmaßnahmen habe ich bereits mehrmals etwas geschrieben, zum Beispiel hier und hier.

Ende von Garzweiler

Punkt 2 des Antrags trägt den Titel Vorhabenbeschreibung und rechtliche Vorgaben, dort schreibt RWE auf Seite 12, dass der Tagebau Garzweiler „basierend auf der 2021 geänderten und nachfolgend beschriebenen Planungsgrundlage voraussichtlich Ende 2038 auslaufen“ wird. Damit plant RWE also noch 16 weitere Jahre Braunkohleabbau im Tagebau Garzweiler II.

Zukunft der Tagebaudörfer     

Die Tagebaudörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts Keyenberg, Kuckum, Ober-, Unterwestrich und Berverath werden ganz gerne ja als gerettet angesehen. Zu diesem Thema habe ich hier bereits etwas geschrieben. Im Antrag heißt es zu diesen Dörfern auf Seite 14, dass die bergbauliche Inanspruchnahme „anders als ursprünglich vorgesehen nicht Anfang 2024 sondern frühestens Ende 2026“ erfolgen soll. Wenn diese Dörfer gerettet sind, dann weiß zumindest RWE noch nichts davon. In dem aktuell zur Genehmigung vorliegenden Antrag steht schwarz auf weiß, dass eine Inanspruchnahme der Dörfer – worunter ich ihr abbaggern verstehe – erfolgt.  

Die Landesregierung hat im Rahmen des Koalitionsvertrags eine Absichtserklärung zur Rettung der genannten Dörfer gegeben. Es ist sehr genau darauf zu achten, ob im Genehmigungsverfahren auf die geplante Erhaltung der Tagebaudörfer eingegangen werden wird.

Wassermengen

Durch die Sümpfungsmaßnahmen werden große Mengen Grundwasser abgepumpt. Für das Wasserwirtschaftsjahr 2019 beziffert RWE die Menge an Sümpfungswasser auf 115 Millionen qm/a (S. 53). Für den Zeitraum 2030 bis 2035 geht RWE davon aus, dass die Abbautiefe zunehmen wird und somit tiefer gesümpft werden muss. Die maximale Ausdehnung des Sümpfungstrichters wird für das Jahr 2030 prognostiziert (S. 54). Dies bedeutet, dass die Mengen an Sümpfungswasser noch steigen werden, aber auch die Gebiete, die durch die Sümpfung betroffen sind, sich noch einmal (in ihrer Intensität) verschieben. RWE spricht etwa davon, dass durch die westwärts Wanderung des Tagebaufeldes der Sümpfungsschwerpunkt sich verschiebt, wodurch, beispielsweise, die Grundwasserabsenkung „im Nordwesten des aktuellen Tagebaus weiter zunehmen [wird]. Neben dem Tagebauvorfeld wird es rund um Erkelenz Absenkungen von mehr als 10 Metern geben“ (Seite 65). Es wird also soviel Wasser abgepumpt, dass der aktuelle Grundwasserspiegel – der ja schon von der Sümpfung betroffen ist – um zehn Meter abfallen wird. Ehrlich, wenn auch zurückhaltend, ist RWE immerhin bezüglich der räumlichen Auswirkungen der Sümpfungsmaßnahmen. Sie schreiben: „Die […] Grundwasserabsenkung, besonders aber die Druckentlastung in den tieferen Grundwasserstockwerken, geht weit über den eigentlichen Tagebaubereich hinaus“ (S. 66). Dies macht den Braunkohletagebau auch so problematisch. Der Tagebau hat spürbare Auswirkungen, die nicht auf das direkte Tagebauumfeld beschränkt sind, sondern sich weiter darüber hinaus erstrecken. Damit betreffen der Tagebau und die Sümpfungsmaßnahmen nicht nur die Menschen, die direkt an den Tagebaulöchern wohnen, sondern alle, zwischen Bonn und dem Kreis Kleve, bzw. Köln und Roermond.  

Was passiert mit dem Sümpfungswasser?

Ein Großteil des Sümpfungswasser soll als sogenanntes Ökowasser – das ist aufbereitetes Wasser – zur Stützung der Feuchtgebiete über ein ausgedehntes Rohrsystem wieder eingeleitet werden. „Neben den Ökowassermengen werden die verbleibenden Wassermengen zur weiteren Verwendung an eigene und fremde Betriebe abgegeben, der Kraftwerkswasserversorgung zugeführt sowie in die Vorflut eingespeist“ (S. 75). Das Grundwasser dient unter andere, der Wasserversorgung der Kraftwerke. Ein Überschuss an Wasser wird nach allen Prognosen nicht geben (S. 76). Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Aussage, dass „[g]egen Ende des Tagebaus […] das Sümpfungswasser aus Garzweiler nicht mehr ausreichen [wird], den Öko- und Eigenwasserbedarf zu decken, so dass eine Wasserzuführung vom Rhein notwendig wird. Diese wird dann auch zur Füllung des Tagebausees verwendet“ (S. 80).

Dass zum Tagebauende – gemeint ist vermutlich 2038 – nicht mehr genügend Sümpfungswasser zur Verfügung stehen wird, liegt daran, dass sich nach 2030 der Tagebau in eine andere Richtung bewegen soll. Der Abbau wird dann in geringerer Tiefe erfolgen, sodass „die notwendigen Sümpfungsmengen sinken“ (S. 86).

Für den Zeitraum bis 2030 gibt RWE jedenfalls konkrete Zahlen an. Die Menge an Sümpfungswasser soll von 123 Millionen qm/a im Jahr 2015 auf 155 Millionen qm/a im Jahr 2030 ansteigen. Wurden 2015 75 Millionen qm/a im Jahr 2015 als Ökowasser verwendet, 2030 sollen es 101 Millionen qm/a im Jahr 2015 sein S. 83). RWE spricht, dass es einen steigenden Bedarf an Ökowasser gibt, macht aber nicht klar, ob der alleine auf die Ausweitung der Sümpfungsmaßnahmen zurückzuführen ist.  

Klar ist also, dass die Rheinwassertransportleitung parallel zum Tagebaubetrieb benötigt wird, andernfalls wäre die Stützung der Feuchtgebiete nicht möglich.

Rheinwassertransportleitung und die Klimakrise

Für RWE ist die Rheinwassertransportleitung vor allem deshalb wichtig, weil die Tagebaulöcher nach Beendigung des Tagebaus geflutet werden sollen und zwar durch Rheinwasser. (Mit der Rheinwassertransportleitung habe ich mich auch bereits beschäftigt, hier.) Die Rheinwassertransportleitung soll das dazu benötigte Wasser bringen. Vorgesehen ist, dass in trockenen Jahren weniger entnommen wird, in wasserreichen Jahren dagegen mehr (S. 90).

Dieses Jahr mussten wir erleben, dass der Rhein einen sehr niedrigen Pegel aufwies. Kann es daher sein, dass die Klimakrise ein Problem für die geplanten Tagebaurestseen sein wird? RWE sagt: „Gemäß den Untersuchungen des LANUV (LANUV, 2007; LANUV, 2016) ist eine parallele Befüllung der Tagebauseen Garzweiler und Hambach aus dem Rhein (der Tagebausee Inden wird bereits ab ca. Anfang der 2030er Jahre aus der Rur befüllt) auch unter Berücksichtigung potentiell veränderter klimatischer Bedingungen möglich“ (S. 90). ‚Potentiell veränderte klimatische Bedingungen‘’– oder das, was andere Klimakrise nennen – stellen somit kein Problem dar. Bei dieser Behauptung bezieht sich RWE auf das LANUV [LANUV = Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalens].

Im Zusammenhang mit den niedrigen Pegelständen des Rheins hatte ich diesen Sommer eine Anfrage an RWE und das LANUV gestellt. RWE wollte sich bzgl. der Frage, ob die niedrigen Pegelstände ein Problem für die geplante Rheinwassertransportleitung seien, nicht schriftlich antworten. Mündlich teilte man mir mit, man gehe davon aus, dass „der Rhein immer Wasser führen werde“ und somit eine Wasserentnahme kein Problem sei. Mit dieser Aussage habe ich mich an das LANUV gewendet und bekam als Antwort, dass es eine zulässige Interpretation der vorhandenen Modellrechnungen sei, dass der Rhein immer Wasser führen werde. Es sei damit aber nichts darüber gesagt, wie die dann vorhandenen Mengen zu bewerten seien. Ich interpretiere dies einmal so: Die Modellrechnungen zeigen nicht, dass der Rhein zeitweise austrocknen wird, sie sagen aber auch nichts über die zu erwarteten Wassermengen in trockenen Sommern aus. Noch interessante ist aber die Aussage bzgl. der möglichen Auswirkungen von Niedrigwasserständen auf die Wasserentnahme. Diese seien Gegenstand aktueller Untersuchungen, in die das LANUV aber nicht eingebunden ist. Das heißt dann wohl, dass bislang nicht klar ist, ob bei Niedrigwasserständen wie im Juli 2022 überhaupt Wasser entnommen werden kann und wenn welches entnommen werden kann, in welchen Mengen dies möglich sein wird.

Alles harmlos?

Dass die Sümpfungsmaßnahmen großräumige Auswirkungen haben, hat RWE zugestanden. Wie sieht es denn mit einer qualitativen Beeinträchtigung aus? Dankenswerterweise fasst RWE die möglichen Folgen zusammen: „Die Sümpfung kann zu Auswirkungen auf die Schutzgüter Wasser (Grundwasser und oberirdische Gewässer) → Verschlechterung der Mengenbilanz, Vergrößerung des aktuellen Grundwasserflurabstandes, Menschen, insbesondere die menschliche Gesundheit → Wirkungen auf wasserwirtschaftliche und landwirtschaftliche Nutzungen, Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt → Vergrößerung des aktuellen Grundwasserflurabstandes, Fläche und Boden → Vergrößerung des aktuellen Grundwasserflurabstandes sowie kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter → Vergrößerung des aktuellen Grundwasserflurabstandes führen“ (S. 97).  

Die Sümpfungsmaßnahmen wirken sich, wie die Auflistung zeigt, auf viele Bereiche aus. Insbesondere ist die Reduzierung der Grundwassermenge problematisch, da dies Menschen – etwa durch die Beeinträchtigung der Landwirtschaft – , andere Tiere, Pflanzen und Bodenflächen betrifft. Wie steht RWE dazu? Sie schreiben auf Seite 98 des Antrags: „Trotz der sehr hohen Wirkintensität sind die Auswirkungen durch die Sümpfung aufgrund der bereits seit langem vorhandenen anthropogenen Beeinflussung der Grundwasserquantität aus umweltfachlicher Sicht als nicht erheblich einzustufen“. Anders formuliert: ‚Klar haben unsere Maßnahmen starke Auswirkungen auf das Grundwasser, aber die Menschen nutzen Grundwasser doch schon seit langem, daher kann man aus umweltfachlicher Perspektive nichts gegen die Sümpfungsmaßnahmen vorbringen‘. Es sollte aber klar sein, dass bisher die Beeinflussung der Grundwasserquantität – also Grundwasserentnahme – auch nur annähernd in dem Umfang erfolgte, wie RWE dies tut.

Warum…?

Warum sollten einem Antrag entsprochen werden, wenn die beantragte Aktivität sich so negativ auswirkt? Unberücksichtigt sind dabei vollkommen die negativen Folgen, die die Braunkohleverstromung mit sich bringen. Für die Allgemeinheit ergeben sich zahlreiche negative Konsequenzen, die die Sümpfungsmaßnahmen und die Braunkohleverstromung mit sich bringen. Kann man diese Konsequenzen und die Folgekosten, die diese nach sich ziehen, guten Gewissens wirklich als gerechtfertigt betrachten?

RWE sagt ja, denn ohne die Sümpfungsmaßnahmen kann der Tagebau nicht betrieben werden und mit dem Tagebau verdient RWE viel Geld. Das Geld wird durch teilweise irreversible Schädigung der Natur verdient. Einiges gesteht RWE in dem Antrag sogar ein. Ich frage mich, wie jemand, der den Antrag gelesen hat, dem Vorhaben zustimmen können soll. Eine Bewilligung des Antrags bedeutet auf jeden Fall, dass das Grundwasser, die Böden, Menschen, Tiere, Pflanzen, Dörfer und das Klima weitere mindestens sechs Jahre erheblich geschädigt werden. Apropros Klima: die Klimaschädlichkeit der Braunkohleverstromung ist selbstverständlich nicht im Antrag angeführt, denn es geht nur um die Fortführung der Sümpfungsmaßnahmen, nicht um die Braunkohleverstromung. Die Sümpfungsmaßnahmen sind aber eine wichtige Vorbedingung für die Braunkohleverstromung, denn ohne Sümpfungsmaßnahmen kann es keinen Braunkohletagebau geben.

Es ist zu hoffen, dass im Zuge des weiteren Verfahrens Grundwasser- und Klimaschutz eine Rolle spielen werden und dem Antrag in der vorliegenden Form nicht zugestimmt wird. Mir ist bewusst, dass dies ein utopischer Wunsch ist, aber RWE wirkt gravierend daran mit, dass sowohl das 1,5-Grad als auch das 2-Grad Ziel – also die Ziele die durch Menschen verursachte Erderwärmung auf maximal 1,5 bzw. 2 Gad zu beschränken – eklatant verfehlt werden. Daher ist um so wichtiger, dass solche Anträge zwar öffentlich aber ohne Wahrnehmung in der Öffentlichkeit entschieden werden.

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