‚Klimawandel‘, ‚Klimakrise‘, ‚Klimakatastrophe‘ – alles dasselbe, oder nicht?

Es ist ein wissenschaftlicher Fakt, dass das menschliche Handeln das natürliche Erdklima nachhaltig und drastisch verändert. Die Konsequenzen dieses Veränderungsprozesses sind allseits bekannt und schon jetzt deutlich spürbar. Auf diesen Prozess der durch den Menschen Klimaveränderungen wird im Deutschen unterschiedlich sprachlich Bezug genommen. Anders gesagt: es gibt verschiedene Wörter, die verwendet werden, um sich auf diesen Prozess zu beziehen. Geläufig sind vor allem die Begriffe Klimawandel, Klimakrise und Klimakatastrophe.

Auch wenn mit allen drei Begriffen derselbe Prozess bezeichnet werden kann, bedeuten sie doch nicht dasselbe. Würden sie dasselbe bedeuten – wären sie also Synonyme –  , dann wären die Ausdrücke miteinander austauschbar. In einem Satz wie Die Klimakrise kann noch gelöst werden, kann Klimakrise nicht durch Klimawandel ersetzt werden, da nur eine Krise aber kein Wandel gelöst werden kann.

Obwohl alle drei Wörter als erstes Bestandteil das Nomen Klima enthalten, unterscheiden sie sich im Bezug auf ihren zweiten Bestandteil. Krise, Katastrophe und Wandel bedeuten nicht dasselbe. Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache paraphrasiert (also umschreibt) Krise als ’schwierige, gefährlich Lage, in der es um eine Entscheidung geht‘. Die Bedeutung von Katastrophe wird dort als ‚furchtbares, verhängnisvolles Ereignis‘ angegeben, während Wandel mit ‚Veränderung‘ umschrieben wird. Eine Veränderung ist neutral, sie kann zum Guten oder Schlechten erfolgen. Spricht man aber von einer Klimakrise, wird die weltweite Klimaveränderung nicht nur als ein Wandel, sondern als eine ‚gefährlich Lage, die einer Lösung bedarf‘ beschrieben. Klimawandel und Klimakatastrophe sind im Gegensatz zu Klimawandel wertende Begriffe. Sie drücken aus, dass der Sprecher eine bestimmte Einstellung des Sprechers gegenüber den als Krise oder Katastrophe bezeichneten Sachverhalt hat. Ein freudiges oder positives Ereignis würde man wohl nicht als Krise oder Katastrophe bezeichnen.

Die Frage, ob Klimawandel oder Klimakrise, ist in den letzten Jahren in den Medien immer wieder diskutiert worden. Die Debatte ist in Deutschland nach der Entscheidung des britischen The Guardian, künftig nicht mehr von climate change zu sprechen, (etwas) ins Rollen gekommen. In einer redaktionellen Entscheidung hat der Guardian festgelegt, dass climate change nicht länger angemessen ist. Die Ernsthaftigkeit der weltweiten Klimaveränderungen und ihrer Folgen verlangen, so die Argumentation, dass von ‚climate emergency‘ oder ‚climate crisis‘ gesprochen wird. (Der Artikel des Guardians findet sich hier.)

Klimafakten.de nahm die Entscheidung des Guardian zum Anlass und fragte in der deutschsprachigen Medienlandschaft nach, welche Begriffe dort präferiert werden. Der vollständige Artikel kann hier nachgelesen werden. Interessant ist, dass der Begriff Klimakrise bei den gefragten Medienschaffenden nicht gut wegzukommen scheint. Unter anderem wurde von Werner Eckert, dem Leiter der SWR-Redaktion ‚Umwelt und Ernährung‘ gesagt, dass der Begriff Klimakrise irreführend sei. Eine Krise, so wird begründet, sei entweder lösbar oder gehe wieder vorbei. Somit sei eine Krise etwas episodenhaftes. Durch die Verwendung des Begriffs Klimakrise würde eine falsche Fährte gelegt werden, da die durch den Menschen verursachten Klimaveränderungen nicht wieder vorbeigehen und eine Lösung des Problems – so Eckert – unendlich weit entfernt sei.

Dies ist ein interessantes Argument, das auf der Bedeutung des Wortes Krise aufbaut. Aber ich bin nicht sicher, ob die Argumentation wirklich stichhaltig ist. Statt auf diese Argumentation möchte ich aber heute auf die Sprachreflexion eingehen. Die Argumentation des Guardians aber auch Werner Eckerts zeigt deutlich, dass die Wahl eines Begriffs nicht beliebig ist. Wir benutzen sprachliche Ausdrücke nicht nur um auf Objekte, Sachverhalte oder Geschehnisse in der Welt Bezug zu nehmen. Durch die Wahl verschiedener Begriffe können wir ein und dasselbe Geschehen unterschiedlich beschreiben und damit diesem Geschehen eine Bewertung (‚es ist ein Problem und muss gelöst werden‘) oder Eigenschaften (‚es ist episodisch‘, ‚es ist (potentiell) lösbar‘) zuschreiben. In der Sprachwissenschaft (und Sprachphilosophie) ist diese Erkenntnis schon länger bekannt und wird im Rahmen der sogenannten ‚Sprechakttheorie‘ thematisiert. Eine wesentliche Einsicht der Sprechakttheorie ist, dass Sprache nicht nur dazu dient die Welt zu beschreiben. Vielmehr vollziehen wir Handlungen mittels Sprache. Wenn wir sprechen, wollen wir etwas mit unserem Sprechen bewirken. Wenn Klimaaktivist*innen über die durch den Menschen verursachten Klimaveränderungen sprechen, wollen sie nicht nur die Wirklichkeit beschreiben. Vielmehr geht es ihnen (oftmals) darum, dass sie das Handeln anderer Menschen beeinflussen.

Ob man von Klimakrise oder Klimawandel spricht, ist keine rein akademische Frage. Vielmehr ist es eine in der Klimadebatte ganz zentrale Entscheidung, denn (i) die Begriffe bedeuten unterschiedliches, (ii) die Wahl eines Begriffs sagt etwas über die Sprecher*innen Einstellung aus und (iii) das Reden über Klimaveränderungen ist kein Selbstzweck, sondern soll andere Menschen zu konkretem Handeln bewegen. Daher sollte man fragen, welcher Begriff ist adäquat um das auszudrücken, was ich (explizit und implizit) mitteilen möchte? Aber auch: mit welchem Begriff kann ich meine Ziele – etwa Menschen zu mehr Klimaschutz zu bewegen – am besten erreichen? 

Ich möchte mich in nächster Zeit mit der Frage ‚Klimawandel oder Klimakrise‚ ausführlicher beschäftigen und meine Überlegungen zur Bedeutung und zum Gebrauch der Begriffe hier vorstellen.

Nachtrag (04.08.2022): Im Nachwort des Buches ‚Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Poltische Sprache und ihre heimliche Macht‚ von George Lakoff & Elisabeth Wehling wird von Elisabeth Wehling das Begriffspaar Klimawandel vs. Klimakrise angesprochen. Dort heißt es auf Seite 182, dass Klimawandel ein neutraler Begriff sei, der keien Verschlechterung eines Zustandes (sondern nur eine Veränderung) impliziere und somit keinen akuaten Handlungsbedarf nach sich zieht. Ich bin auf dieser Passage erst aufmerksam geworden, nachdem ich meinen Beitrag schon geschrieben hatte. Die Analyse steht im Einklang mit meiner Sicht auf das Thema, wird von Elisabeth Wehling aber ergänzend in Lakoffs Metapherntheorie eingebettet. Demnach ist die Wahl eines der Begriffe eine (bewusste) Entscheidung, die gefällt wird, auf Grund der Implikationen, die diese Begriffe haben (oder auch nicht haben). Für mich ist eine der wesentlichen Äußerungen Lakoffs in dem Buch, dass es in der politischen Debatte kaum wertfreie Sprache gebe. Dass Klimakrise ein wertender Begriff ist, hatte ich oben schon ausgeführt. Die Vermeidung dieses Begriffs und die Verwendung von Klimawandel als Alternativbegriff ist ebenso wertend, da bewusst die Implikationen, die der der Begriff Krise mit sich führt, ausgeklammert werden. Zudem wird bewusst eine angeblich neutrale Sichtweise gewählt, die die Klimaveränderungen nur beschrieben, nicht bewerten. In der politischen Debatte isi dies, bedingt durch die Existenz des Begriffspaars Klimawandel vs. Klimakrise, aber gerade nicht neutral. Aber die Debatte ist dann doch noch komplexer, da es nicht nur um Wertung geht, sondern auch um die Frage, ob der Begriff Krise tatsächlich angemessen ist. Auf diesen Aspekt gehe ich etwas genauer in meinem Beitrag ‚Die CDU über die Klimakrise‚ ein.

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