Greenwashing beim Logistikunternehmen GLS
Ein Kleintransporter eines Logistikunternehmens mit der Aufschrift „GLS versendet alle Ihre Pakete 100% klimaneutral“. Durch Großdruck ist „100% klimaneutral“ hervorgehoben. Als ich dann sah, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen VW Crafter – also einen kleineren LKW mit Verbrennungsmotor – handelt, fragte ich mich, was denn „100% klimaneutral“ hier bedeuten soll.
Wie kann GLS 100 klimaneutral sein, wenn die Lieferfahrzeuge der Firma mit Verbrennungsmotor fahren? Auf der Homepage der Firma findet sich eine Erklärung, wie „100% klimaneutral“ zu verstehen sind. Dort heißt es: „Mit Klima Protect stellen wir Pakete sowohl in Deutschland als auch im Ausland klimaneutral durch Kompensation zu.“ GLS will also Klimaneutralität durch Kompensation erreichen. Die verursachten CO2-Emissionen sollen durch die Investition in bestimmte Projekte ausgeglichen werden.
Bezüglich der Kompensationsprojekte ist GLS transparent und gibt an, dass sie Waldschutz und den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen. Konkreter: GLS unterstützt den Ausbau von Windenergie in Indien, zwei Waldschutzprojekt im Amazonas, die ein Abholzen des Regenwalds verhindern sollen, sowie ein Solarenergieprojekt. Das sind tolle Projekte und wenn GLS tatsächlich zur Finanzierung dieser Projekte beiträgt, finde ich das prima. Aber ist es legitim zu behaupten, dass GLS Pakete wirklich klimaneutral zustellen würde?
Wie stelle ich mir ganz naiv Klimaneutralität vor? Im Idealfall bezeichnet ‚klimaneutral‘ einen Vorgang, der bezüglich der CO2-Emissionen neutral ist. Darunter würde ich verstehen, dass dieser Vorgang keine CO2-Emissionen verursacht. Die Paketzustellung würde also mit 0 (= Null) CO2-Emissionen erfolgen. Auf die reine Zustellung bezogen: keines der seitens von GLS beteiligten Fahrzeuge verursachte CO2-Emissionen. Das wäre möglich, wenn die gesamte GLS-Flotte aus Elektrofahrzeugen bestünde, die zum Beispiel Solarstrom tanken. Da GLS aber Fahrzeuge mit Verbrennermotor in der Flotte halt, ist dieses Verständnis von ‚Klimaneutralität‘ zu strikt.
‚Klimaneutralität‘ könnte auch bedeuten, dass es Maßnahmen gibt, die eine direkte CO2-Aufnahme im Umfang des emittierten CO2 verursachen. Dies könnte beispielsweise in Aufforstungsprojekten bestehen, sodass eine entsprechende Menge Bäume, die das emittierte CO2 binden, gepflanzt werden. Damit gäbt es ein Gleichgeweicht zwischen CO2-Ausstoß und der CO2-Aufnahme. Aber die von GLS angeführten Projekte sind keine Aufforstungsprogramme. Zwar schützen die von GLS unterstützten Programme den Regenwald, aber dadurch wird nicht unmittelbar mehr CO2 gebunden. Genauso sieht es mit den Ökostromprojekten aus. Auf diese Weise kann CO2-neutral Strom erzeugt werden, ob aber wirklich ein Ausgleich in der CO2-Bilanz stattfindet – also soviel CO2 eingespart wird, wie GLS emittiert hat – , ist eine ganze andere Frage. Der Ausbau erneuerbarer Energieproduzenten kann dazu führen, dass fossile Kraftwerke weniger gebraucht und damit deren Emissionen zurückgefahren werden. Aber diesnergibt sich nichts zwangsweise. Eventuell kommen die Windräder auch nur als zusätzliche Stromproduzenten hinzu, sodass sich kein Rückgang mit den Emissionen ergibt.
Die von GLS unterstützten Projekte mögen ökologisch sinnvoll sein, sie gleichen aber nicht direkt die CO2-Emissionen der Firma aus. An keiner Stelle folgt unmittelbar, dass CO2-Einsparungen oder gar eine CO2-Aufnahme auf dem gleichen Niveau entsprechend der GLS-Emissionen folgt. Die Bezeichnung „100% klimaneutral“, die GLS sich selbst gibt, trifft nicht zu.
Aber es gibt noch eine dritte Möglichkeit, wie ‚Klimaneutralität‘ zu verstehen sein könnte. Das ist die Kompensation von CO2-Emissionen in einem Sektor durch Investitionen in einem anderen Sektor, zum Beispiel der Investition in Windparkanlagen. Dies ist das Verständnis, das zum Beispiel auch das Europaparlament hat. Das Problem dabei ist: GLS emittiert weiterhin CO2 und investiert in Projekte, die nicht zwingend eine Verminderung von CO2-Emissionen nach sich ziehen. Netto kann es am Ende bedeuten, dass GLS seine eigenen Emissionen ausgleichen kann. Es muss aber nicht sein, dass die Klimakompensation im vollen Umfang zur Aufnahme von CO2 im von GSL emittierten Umfang beiträgt. Der Schutz des Amazonas – so wichtig dies auch ist – ist nicht dasselbe wie eine Wiederaufforstung. Der Bau von Windkrafträdern muss nicht dazu führen, dass irgendwie in Indien CO2-Emissionen reduziert werden. Dann sieht es mit der Netto-Null bei GLS deutlich kritischer aus. Diese Form der Klimakompensation ist damit kompatibel, dass am Ende mehr statt weniger CO2 in der Atmosphäre ist. Das ist alles, aber sicherlich nicht klimaneutral.
Klimakompensation ist zudem eine Strategie, die suggeriert, dass klimaschädliche Technologien bedenkenlos weiterverwendet werden können, wenn an anderer Stelle dafür Klimaschutzprojekte unterstützt werden. Auf diese Weise lassen sich die schlimmsten CO2-Emittenten, wenn sie denn nur Klimakompensation betreiben, als klimaneutral bezeichnen. Tatsächlich bedarf es aber der Reduktion von CO2-Emissionen und nicht ihres Ausgleichs. Wir brauchen den Schutz des Amazonas sowie Ökostrom, aber ohne, dass im Ausgleich dafür Logistikunternehmen weiterhin CO2 emittieren dürfen.
GLS geht einen üblichen Weg, in dem das Label ‚klimaneutral‘ mit Klimakompensation in zertifizierten Umweltprojekten verknüpft ist. Der Begriff ‚klimaneutral‘ meint jedoch in diesem Kontext nicht, dass ein Vorgang wie die Paketzustellung wirklich neutral im Bezug auf klimaschädliche Emissionen ist. Denn das, was GLS an CO2 emittiert, wird nicht (im gleichen Ausmaß) der Atmosphäre wieder entzogen. Mit dem Label ‚Klimaneutralität‘ wird greenwashing betrieben, mit dem Unternehmen sich ein ökologisches Image geben trotz klimaschädlichem Verhaltens geben können.
Das Label ‚klimaneutral‘ hat bereits in der Vergangenheit die Wettbewerbszentrale beschäftigt, da es zu einem wichtigen Werbelabel geworden sei. Es muss, so die Wettbewerbszentrale, in der Werbung erkenntlich sein, ob ein Unternehmen die angestrebte Klimaneutralität durch eigene Maßnahmen (Verringerung der Emissionen) oder durch Kompensationsmaßnahmen erreicht. In einer Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale dazu heißt es: „Es führt zu Wettbewerbsverzerrungen, wenn Unternehmen, die konventionell weiter wirtschaften und ausschließlich Zertifikate kaufen, ohne weitere Aufklärung mit „klimaneutral“ werben, während andere Unternehmen auch mit „klimaneutral“ werben, aber mit großem Aufwand ihren CO2-Ausstoß erheblich verringert haben.“
Die Bezeichnung ‚100% klimaneutral‘ empfinde ich als Werbeslogan auf dem Fahrzeug von GLS als irreführend, erst der Blick auf die Homepage macht deutlich, dass GLS Klimaneutralität durch Kompensationsmaßnahmen erreichen will. Vielleicht ist das ausreichend, um das zu beurteilen fehlt mir die nötige Expertise. Aber es zeigt sich, dass bei jedem Unternehmen, das von sich als ‚klimaneutral‘ wirbt, genau hingesehen werden muss, was das Unternehmen denn unter ‚Klimaneutralität‘ versteht, welche Maßnahmen konkret ergriffen werden – und wie diese wirklich zur CO2-Reduktion beitragen – und welche CO2-Emissionen durch dieses Label eigentlich grün gewaschen werden sollen.