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Die FDP über die ‚Klimakrise‘

Antwort der FDP, warum sie von Klimawandel aber nicht von Klimakrise spricht.

Vor ein paar Wochen hatte ich die NRW-CDU und die NRW-FDP gefragt, warum sie in ihrem Wahlprogramm für die NRW-Landtagswahl zwar von Klimawandel aber nicht von Klimakrise sprachen. Die CDU hatte bereits geantwortet, wie ich hier geschrieben habe. Nun hat mir aber auch die FDP eine Antwort geschickt.

Der politische Geschäftsführer des NRW-Landesverbands der FDP hat mir dankenswerterweise erlaubt, dass ich seine Antwort hier vollständig zitiere:

Der Begriff des Klimawandels zur Beschreibung der Veränderungen des Weltklimas ist ein in der öffentlichen Debatte und in der Wahrnehmung der Bevölkerung seit Jahrzehnten verwendeter Ausdruck, den wir daher primär benutzen – ohne dabei jedoch die damit verbundende Dringlichkeit zu verharmlosen. Zudem benutzen Bundesbehörden, Ministerien sowie die Vereinten Nationen diesen Begriff in Anlehnung an den internationalen Fachbegriff climate change. Indem wir viele Ideen und Vorschläge innerhalb des politischen Diskurses zur Bekämpfung des Klimawandels einbringen, machen wir die Brisanz dieses Thema immer wieder klar und welche Folgen das Unterlassen von Maßnahmen haben werden.

(Mirco Rolf-Seiffert, per Email 08.08.2022)

Das Argument für die Verwendung von Klimawandel und der Vermeidung des Begriffs Klimakrise ist also, dass der Begriff Klimawandel in der öffentlichen Debatte und der breiten Bevölkerung seit Jahrzehnten (!) primär verwendet wird. Das Argument lautet also: wie wir bisher gesprochen haben, ist richtig und angemessen, also sprechen wir so weiter. Dazu gibt es drei Entgegnungen:

Erstens: Es wäre interessant sich einmal die Häufigkeiten der Begriffe Klimawandel uns Klimakrise über die letzten Jahrzehnte im öffentlichen Diskurs anzusehen. Aus dem eigenen Empfinden heraus kann ich diese Aussage weder bestätigen noch anzweifeln.

Zweitens: Durch die Wahl unserer Begriffe beziehen wir uns nicht nur auf Sachverhalte (oder Objekte) in der Welt, sondern transportieren auch unsere Einstellungen dazu mit. Das habe ich an anderer Stelle bereits einmal angerissen. Die Frage ist also: ist Klimawandel der angemessendste Begriff, selbst dann, wenn er schon Jahrzehnte in der Diskussion verwendet wird? Man könnte hier kritisch sagen, nein, ist er nicht. Wäre er angemessen, dann wäre das Bewusstsein über die Klimaproblematik heute viel größer als es tatsächlich ist. Vielleicht – aber dies ist hypothetisch – sähe dies anders aus, wenn mehr von Krise statt von Wandel gesprochen worden wäre und gesprochen werden würde.

Drittens: Wir können die Wahl unserer Begriffe aktiv verändern. Dies ist mit diskriminierenden Worten in letzter Zeit geschehen, wenn es auch einigen Aufschrei gab. Bei der Frage, ob Klimawandel oder Klimakrise geht es nicht um diskriminierende Begriffe, dennoch stellt sich die Frage, welcher dieser Begriffe adäquat ist (einer, beide, keiner?). Wer sich darauf beruft, dass ein Begriff beibehalten werden sollte, weil er bisher im Diskurs primär verwendet wurde, akzeptiert damit auch, dass dieser Begriff der passendste ist. Auch wenn Herr Rolf-Seiffert nichts zum Begriff Klimakrise direkt sagt, legt seine Antwort doch nahe, dass die FDP den Wandel sprachlich adäquater als die Krise findet.

Ein zweites Argument, das seitens der FDP hervorgebracht wird, ist, dass Bundesbehören, Ministerien und die Vereinten Nationen von Klimawandel und nicht von Klimakrise sprechen. Die Bundesumweltministerin Steffi Lemke spricht sehr wohl (auch) von Klimakrise, wie etwa in einem Interview, das auf Seiten des Bundesumweltministeriums zu lesen ist. Auf den Seiten des Bundesumweltministeriums liest man auch im Zusammenhang mit Klimafolgenanpassung von globaler Klimakrise. Auch Angela Merkel sprach – anders als die NRW-CDU übrigens – schon von der Klimakrise, wie etwa in der Rede, die man hier finden kann. Auf der Internetseite von Olaf Scholz, nun immerhin Bundeskanzler, findet man den Begriff Klimakrise ebenfalls. Der Bundestag nutzt auf seiner Seite ebenfalls den Begriff Klimakrise. Die Vereinten Nationen sprechen ebenfalls von climate crisis, dies kann man etwa hier nachlesen. Sicher, dies sind selektive Beispiele und man wird viele Ministerien, Institutionen oder Politiker finden, die nur von Klimawandel sprechen. Es ist also nicht so, dass es eine Konvention gäbe, dass öffentliche Institutionen – ich rechne Ministerinnen und Bundeskanzlerinnen einmal dazu – von Klimawandel statt Klimakrise reden müssten. Heißt das nun, dass die FDP ihren Sprachgebrauch jetzt auch anpassen wird?

Die Argumentation der FDP zielt insgesamt auf den Sprachgebrauch ab und ist nicht inhaltlich an den Begriffen ausgerichtet. Wie der Sprachgebrauch aber genau aussieht, muss aber erst noch – soweit ich es überblicken kann – untersucht werden.

Wer spricht denn hier von Klimakrise?

Ein (Rück)Blick auf die Wahlprogramme zur Landtagswahl in NRW 2022

Mit der Bedeutung der Begriffe Klimawandel, Klimakrise und Klimakatastrophe habe ich mich schon hier (etwas) beschäftigt gehabt. Die drei Begriffe sind nicht bedeutungsgleich und daher kann man erwarten, dass sie auch unterschiedlich verwendet werden. Insbesondere ist bei solchen Begriffen, die im öffentlichen und im politischen Diskurs vorkommen, zu erwarten, dass sie nicht von allen Diskursteilnehmern gebraucht werden. Dies lässt sich gut anhand der Wahlprogramme zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2022 zeigen.

Ich habe mir die Wahlprogramme von CDU, SPD, FDP, der Linken, und der Grünen angesehen, die Links führen jeweils zu den elektronischen Versionen der angesehenen Programme. Für die einzelnen Parteien habe ich geschaut, ob in ihren Wahlprogrammen die Begriffe Klimawandel, Klimakrise und/oder Klimakatastrophe vorkommen. Das Ergebnis – vorweg – ist nicht überraschend. Zwar sprechen alle Parteien von Klimawandel, aber nicht alle verwenden die Begriffe Klimakrise oder Klimakatastrophe. Zwei Parteien – CDU und FDP – verwenden nur den Begriff Klimawandel, von Krisen wird nur in anderen Zusammenhängen gesprochen. Die CDU zeigt jedoch ein wenig sprachliche Variation und spricht auf Seite 97 ihres Programms von „Herausforderungen im Zuge der klimatischen Veränderungen“. Die anderen Parteien – SPD, Grüne und Linke – setzen die Klimakrise neben den Klimawandel. Die Grünen und die Linke verwenden im Unterschied zur SPD zusätzlich noch den Begriff Klimakatastrophe. Bei beiden Parteien kommt Klimakatastrophe aber nur einmal im Programm vor. Bei der Linken wird er im Plural verwendet und bezieht sich nicht auf die Veränderung des Weltklimas, sondern auf durch den Klimawandel verursachte Katastrophen.

Keine der Parteien – anders als die AFD – leugnet die durch den Menschen verursachten weltweiten Klimaveränderungen und ihre drastischen Folgen. Sie verwenden lediglich andere Begriffe, um darüber zu sprechen. Die Unterschiede in der Begriffswahl – oder eher im Umfang des Begriffsinventars – hängt mit den Begriffsbedeutungen zusammen. Dies alleine wäre noch nicht so spannend, aber es gibt Zusammenhänge – zumindest suggerieren es die Wahlprogramme – zwischen der Verwendung, bzw. Vermeidung des Begriffs Klimakrise und der Sichtweise auf das Thema ‚Klimaschutz‘. Das kann man sehr schön anhand der NRW-FDP und ihres Wahlprogramms illustrieren.

Warum die FDP von Klimawandel aber nicht von Klimakrise spricht, hat vermutlich mit der Einstellung der FDP zum Thema ‚Klimaschutz‘ zu tun. Auf Seite 55 im Wahlprogramm zur Landtagswahl in NRW (2022) heißt es: „[…] Klimaschutz auf der Grundlage von Verzicht wird weltweit keine Nachahmer finden. Vielmehr müssen Klimaschutz und Wirtschaftswachstum zu einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte werden“. Zur Lösung der Klimaproblematik will die FDP auf wettbewerbliche Lösungen setzen und Zwangsmaßnahmen vermeiden (S. 60). Dies heißt im Klartext, dass wesentliche Aspekte im Klimaschutz über marktwirtschaftliche Prozesse geregelt werden sollen. Dies kennt man bereits aus dem Bundestagswahlprogramm der FDP von 2021. Dort heißt es u.a.: „Damit bekennen wir uns auch zum 13. Ziel für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Den Weg dorthin überlassen wir dem Erfindergeist von Ingenieurinnen und Ingenieuren, Technikerinnen und Technikern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. So können wir Klimaschutz marktwirtschaftlich und wissenschaftlich sicher erreichen. Der Weg kann und muss in Deutschland und Europa starten, er ist aber erst beendet, wenn alle Emissionen weltweit einen einheitlichen marktwirtschaftlichen CO2-Preis haben.“ Eine solche Sicht auf die Lösung der Klimaproblematik scheint tatsächlich besser mit einem ‚Wandel‘ als mit einer ‚Krise‘ zusammenzupassen. Vertrauen in marktwirtschaftliche Mechanismen steht im Gegensatz zu staatlichem Eingreifen. man durch die Wahl des Begriffs Klimakrise suggeriert, dass ein akutes Handeln nötig sei, wäre es geradezu fahrlässig, wenn man als Partei zeitgleich sagt, dass man das Heft des Handelns (zumindest teilweise) aus der Hand geben will, indem man auf wettbewerbliche Lösungen setzt. Im Sinne der FDP-Programmatik ist somit eine Vermeidung des Begriffs Klimakrise vollkommen konsequent.

Die Grünen, auf der anderen Seite, setzen nicht darauf, dass Klimaschutz über wettbewerbliche Lösungen zustande kommt. Stattdessen wird auf die Klimakrise, wie es im Wahlprogramm heißt, durch ein Sofortprogramm reagiert. Die Formulierung eines Sofortprogramms ist konsequent, wenn von Veränderungen als ‚akutem Problem‘ gesprochen wird. Wie eine Partei auf die weltweiten Klimaveränderungen reagieren will, steht also in einem direkten Zusammenhang, wie sie diese Veränderungen benennt.

Ein Begriff wie Klimawandel, den alle Parteien verwenden, verpflichtet zu nichts und ist ist mit sehr unterschiedlichen Klimaschutzansätzen kompatibel. Die Verwendung der Begriffe Klimakrise und Klimakatastrophe verlangt, wenn diese Begriffe auch ernsthaft verwendet werden, dass man sich zu einem ganz anderen Umgang mit dem Klimawandel verpflichtet, denn einen Krise ist der Wortbedeutung nach ein akutes Problem, das somit auch einer direkten Reaktion bedarf.

Ich prognostiziere, dass die FDP ihre Klimaschutzpolitik überdenken wird, wenn sie erst einmal von Klimakrise statt nur von Klimawandel spricht. Ob bei der NRW-CDU dahingehend ein Wandel einsetzen wird, werden wir beobachten können, denn immerhin hat es der Begriff der Klimakrise in den gemeinsamen Koalitionsvertrag mit den Grünen geschafft. Unter anderem wird von den Folgen und Herausforderungen der Klimakrise auf das Gesundheitssystem gesprochen (S. 94, 99), sowie der Notwendigkeit, dass die Folgen dieser Krise (aber auch anderer Krisen) in Schulen thematisiert und wissenschaftsorientiert aufgearbeitet werden sollen (S. 92). Rein sprachlich haben sich die Grünen somit partiell durchgesetzt. Aber auch in der Konsequenz des Begriffs haben sich die Grünen durchgesetzt, da der Koalitionsvertrag ein Klimaschutzsofortprogramm enthält, das sich (dem Namen nach) auch im Wahlproramm der Grünen aber nicht der CDU findet. Wichtiger als Worte sind aber am Ende die Taten und da bleibt abzuwarten, ob sich die Grünen auch in der politischen Gestaltung durchsetzen werden.