Archiv der Kategorie: Rheinischer Braunkohletagebau

Sie graben uns das Wasser ab

RWE, das Grundwasser und der Rhein

Im Deutschen gibt es die Redewendung jemandem das Wasser abgraben. Die Bedeutung der Redewendung ist ungefähr, dass man jemandem schadet, indem man ihm etwas wegnimmt. Es gibt aber auch eine leider zutreffende wortwörtliche Interpretation der Redewendung, denn im Rheinischen Braunkohlerevier gräbt uns RWE das Wasser ab. Zunächst hat uns RWE das Grundwasser durch den Tagebau genommen, danach (ab 2030) wird uns RWE das Rheinwasser zur Befüllung der vorher gebuddelten Tagebaulöcher nehmen. Weil es so wichtig ist, hier das Ganze noch einmal etwas ausführlicher.

Der Rheinische Braunkohletagebau besteht aus mehreren Tagebaulöchern, die nach Beendigung des Braunkohletagebaus – also spätestens 2030 – geflutet werden sollen. Das Grundwasser muss bis unter den tiefsten Punkt der Tagebaue abgepumpt werden, damit die Hänge stabil sind und das Grundwasser nicht von unten in den Tagebau eindringt. Da die Grundwasserspeicher große, zusammenhängende Schichten sind, wird nicht nur das Grundwasser rund um die Tagebaue abgepumpt. Die Sümpfungsmaßnahmen, wie dieser Prozess heißt, betreffen rund 10% der Landesfläche Nordrheinwestfalens. Eine Konsequenz der Sümpfungsmaßnahmen ist, dass viele Feuchtgebiete ihren Grundwasseranschluss verloren haben und durch die Einführung von Stützwasser ‚feucht‘ gehalten werden müssen. Dieses Stützwasser ist abgepumptes Grundwasser und steht zur Verfügung solange gesümpft wird.

Die Sümpfungsmaßnahmen sollen mit Beendigung der Tagebaumaßnahmen eingestellt werden. Dann wird den Feuchtgebiete auch kein Stützwasser mehr aus den Sümpfungsmaßnahmen zugeführt werden können. Der Grundwasserspiegel steigt aber nicht so schnell an, dass die Feuchtgebiete direkt wieder einen Grundwasseranschluss haben. Dieser Prozess dauert Jahrzehnte. Irgendwie muss also die Zeit zwischen der Einstellung der Sümpfungsmaßnahmen und der abgeschlossenen Wiederanstieg des Grundwassers überbrückt werden.

Im Braunkohleplan Garzweiler II wurde 1995 entschieden, dass die Tagebaurestlöcher mit Rheinwasser geflutet werden sollen. Das Wasser, das zur Flutung genutzt wird, soll auch in Teilen als Stützwasser für die Feuchtgebiete Verwendung finden. In Höhe von Dormagen soll eine Rheinwassertransportleitung entstehen, die Rheinwasser in die Tagebaue leitet. An der Entnahmestelle soll der Rheinpegel durch die Entnahme um maximal 2 Zentimeter abgesenkt werden. Natürlich betrifft dies nicht nur den Pegel direkt an der Entnahmestelle, denn das Wasser fehlt dann ja auch im weiteren Rheinverlauf. Aber wer hat vor 27 Jahren bei der Verabschiedung des Braunkohleplans daran gedacht, dass im August 2022 der Rheinpegel sehr niedrig sein wird? In Emmerich lag der Rheinpegel am 9. August 2022 bei 20 Zentimetern. Was heißt es, wenn weitere zwei Zentimeter fehlen, da großen Mengen Rheinwasser bei Dormagen entnommen wurden? Welche Konsequenzen hat dies für die Schifffahrt und – wie ich finde noch zentraler – für das Ökosystem Rhein?

Betreiber der Rheinwassertransportleitung wird RWE sein. Die Tagebaurestseen gehören ebenfalls RWE. Es gibt seitens RWE tolle Pläne für die Seen, die als Naherholungsgebiete angepriesen werden. So unter anderem in dem Prospekt hier, das aus dem Jahr 2018 stammt. So liest man darin: „Zwischennutzungskonzepte werden eine frühzeitige Erschließung der Seen für die Naherholung bereits während der Befüllung ermöglichen“ (Seite 4). Zwei Dinge sind Voraussetzung für die erfolgreiche Befüllung der Tagebaurestlöcher: 1. die Fertigstellung der Rheinwassertransportleitung und 2. eine Genehmigung zur Wasserentnahme aus dem Rhein. An der Rheinwassertransportleitung wird fleißig geplant und es gibt auch bereits einen genehmigten Trassenverlauf. Aber wie sieht es mit der Wasserentnahme aus?

Im Zusammenhang mit der Wasserentnahme stellen sich mir zudem folgende Fragen: Wird die Rheinwasserentnahme auch bei Niedrigwasser erlaubt sein? Wenn ja, wie niedrig darf der Rheinpegel fallen, bevor die Wasserentnahme eingestellt werden muss? Wenn bei Niedrigwasser entnommen werden darf, aber eventuell weniger, wer bekommt dann das Wasser? Gibt es eine Priorität für die Stützung der Feuchtgebiete? Wenn nicht, wo kommt denn dann das Stützwasser für die Feuchtgebiete her? Wenn das Stützwasser fehlt, dann sind die Feuchtgebiete alleine von Niederschlag abhängig. Dummerweise ist der Rhein aber gerade dann besonders leer, wenn nicht genügend Niederschlag vorhanden ist. Dieses letzte Szenario scheint möglich zu sein, auf den Seiten der Grünen Rommersdorf wird es nämlich erwähnt. In einer Darstellung der geplanten Rheinwassertransportleitung heißt es: „Bei zu niedrigem Pegelstand wird die Pumpmenge reduziert oder eingestellt“. Anscheinend beziehen sich die Grünen an dieser Stelle auf eine Aussage von RWE. Für unsere Feuchtgebiete ist das keine gute Prognose!  

Eine Anfrage zu diesen Fragen bei der Bezirksregierung Arnsberg (Dezernat 61 Nachhaltigkeit im Bergbau, Abteilung für Bergbau und Energie in NRW) ergab folgende Antwort: „[…] derzeit gibt es weder einen Antrag, noch eine Wasserrechtliche Erlaubnis zur Entnahme von Wasser aus dem Rhein“. Das heißt: Es wird eine Wassertransportleitung geplant und genehmigt, aber ob am Ende Wasser hindurch darf, steht noch aus. Seitens des Dezernats wird die Idee vertreten, dass die Genehmigung zur Wasserentnahme nach dem erfolgten Bau der Transportleitung geschehen kann. Zitat: „Zunächst wird die Leitungstrasse im BKP festgestellt, dann kann die Leitung in Abschnitten gebaut werden und schließlich sollen Wasserrechte für die Entnahme und die Einleitung beantragt werden.“ Der derzeitige Stand ist, dass die Bezirksregierung Köln „[d]ie Wassermengen und die Entnahmemöglichkeiten, insbesondere natürlich bei Niedrigwasser […] mit den dafür zuständigen Stellen abgestimmt“ (Dezernat 61). Also: die Trassenführung ist genehmigt (auch schon mit Rohrgrößen), aber ob Wasser entnommen werden darf und wenn ja, in welchen Mengen, ist noch offen und wird gerade diskutiert.

Was ist aber, wenn es am Ende keine Genehmigung zur Rheinwasserentnahme gibt? Tatsächlich glaube ich nicht, dass RWE die Genehmigung nicht erhalten wird. Aber macht es Sinn eine Transportleitung zu bauen, wenn es bislang kein fertiges Entnahmekonzept gibt? Kein Mensch wird glauben, dass wir in Zukunft keine (sehr) niedrig Rheinpegel in den Sommermonaten haben werden. Es ist unverantwortlich, wenn dem Bau der Rheinwassertransportleitung nicht ein genehmigtes, nachhaltiges Entnahmekonzept zugrunde liegt, das auf wissenschaftlichen Prognosen zur Entwicklung des Rheinpegels basiert. Die Planung der Trasse sollte sich an den Quantitäten orientieren, die letztlich auch zur Entnahme genehmigt werden und nicht vor einer Genehmigung bereits Fakten schaffen. Von vorneherein muss an die möglichen Auswirkungen auf das Ökosystem Rhein geachtet werden. Durch den Tagebau hat RWE die Umwelt im Rheinland bereits geschädigt – damit ist nicht nur die CO2 Emission in Folge der Verstromung der Braunkohle gemeint. Es darf nun nicht passieren, dass das Ökosystem Rhein nachhaltig geschädigt wird, weil RWE seine Tagebaurestlöcher fluten will, bzw. muss.

Gibt es eine Alternative zur Rheinwassertransportleitung? Ich weiß es nicht. Aber sehr vieles hängt davon ab, ob man auch bei Niedrigwasser – ohne Schädigung des Ökosystems Rhein – Wasser aus dem Rhein entnehmen kann. Wenn das sowieso nicht gehen wird, dann mag es sinnvoller sein, wenn man die Trasse gar nicht erst baut. Es ist also wichtig, dass diese Überlegungen VOR dem Bau der Trasse angestellt werden. Die Trasse wird teilweise ökologisch sensibles Gebiet durchqueren und dort enorme baulich Eingriffe bedeuten. Ein solcher Schritt muss sehr gut überlegt sein und wird explizit vom BUND kritisiert. Weil die Trasse enorme Einschnitte in sensiblen Gebieten nach sich zieht, ist es wichtig, dass ein Wasserentnahmekonzept VOR dem Bau vorliegt, damit die unvermeidlichen Auswirkungen möglichst gering sind.

Seitens von RWE heißt es: „Der Hambacher See wird kommenden Generationen als Badegewässer, Segelrevier und Erholungsgebiet zur Verfügung stehen. Die Befüllung des Sees wird 2030 beginnen – mit Rheinwasser, das über eine unterirdische Rohrleitung in die Grube geleitet wird. Schon etwa zehn Jahre nach dem Beginn der Flutung kann eine große Wasserfläche genutzt werden“. Sprachlich nimmt RWE hier die positive Entscheidung zur Rheinwasserentnahme vorweg. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Es gibt weder einen Antrag auf Wasserentnahme, noch eine Genehmigung zur Entnahme. Was RWE als Fakt darstellt, ist nichts anderes als ein Plan, der noch einer formalen Beantragung und Genehmigung bedarf. Dieser Punkt darf nicht verschwiegen werden und RWE darf kein Narrativ erzeugen, dass eine positive Entscheidung vorwegnimmt. Damit täuscht RWE diejenigen, die es nicht besser wissen (und dies dürfte die Mehrheit sein).

Im Fazit bleibt festzuhalten, dass vieles noch unklar ist. Die Behörden arbeiten gerade an Konzepten, die auch Niedrigwasserstände mit einbeziehen, zeitgleich wird aber seitens RWE suggeriert, dass die Wasserentnahme keine Hürde sei. Der Bau der Trasse wird forciert, bevor das Entnahmemanagement geklärt ist. Mich stört am meisten, dass in der ganzen Diskussion immer nur die Tagebaurestseen erwähnt werden, die Feuchtgebiete bleiben in der Diskussion unerwähnt.

RWE gräbt uns, wie eingangs geschrieben, zweimal das Wasser ab. Beim ersten Mal haben wir schon verloren und das Grundwasser wurde uns entzogen. Wir müssen daher darauf achten, dass die Rheinwassertransportleitung nicht auch wieder unser Schaden – also insbesondere der Schaden des Ökosystems Rhein und der Feuchtgebiete – wird.   

(Ich möchte dem Dezernat 61 sehr für Ihre offenen Antworten und die zügige Beantwortung meiner Nachfragen danken. Ebenso möchte ich für die Erteilung der Erlaubnis aus den Anfragen zu zitieren danken. )

Als Reaktion auf diesen Beitrag hat sich das Dezernat 61 noch einmal bei mir gemeldet und mir einige hilfreiche Hintergrundinformationen zukommen lassen. Im Lichte dieser Informationen stellt sich die Thematik etwas anders dar. Anstatt den ursprünglichen Beitrag zu verändern, habe ich eine Ergänzung geschrieben, die sich hier finden lässt.

Weitere Redewendungen mit Wasserbezug: Uns steht das Wasser bis zum Hals und Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein runter

Uns steht das Wasser bis zum Hals

Im Sommer herrscht Niedrigwasser und trotzdem muss der Rheinpegel abgesenkt werden – Die Konsequenzen des Rheinischen Braunkohletagebaus für das Grundwasser und den Rhein

Wieder eine Redewendung zum Thema ‚Wasser‘. Dass uns das Wasser bis zum Hals steht – wir also enorme Probleme haben – , ist heute sehr deutlich geworden. Heute ist Erdüberlastungstag (hier Informationen des Umweltbundesamtes). Ab heute verbrauchen die Menschen mehr Ressourcen als auf natürlich Weise nachwachsen. Dass uns das Wasser bis zum Hals steht hat aber auch wieder eine wörtliche Interpretation. Nach dieser reicht das Wasser eines Sees oder Flusses eben bis zum Hals. In Düsseldorf würde uns der Rhein normalerweise nicht bis zum Hals gehen, sondern – um diese Jahreszeit – über unsere Köpfe schwappen. Normal wäre ein Rheinpegel von zwei bis drei Metern. Aktuell steht der Rhein bei Düsseldorf aber nur Kindern bis zum Hals, denn der Pegel liegt unter einem Meter (Quelle: Rheinische Post). Bei Emmerich betrug der Rheinpegel heute am 28.07.2022 sogar nur zwischen 36 und 38 Zentimetern. In Köln lag er am 28.07. um 16.30 Uhr bei 110 Zentimetern. In allem Fällen ist der Rhein deutlich unter seinem Normalstand. In den Zeitungen liest man, welche Auswirkungen dies hat. Schiffe können nur noch mit weniger Fracht fahren, und so weiter und so fort. Wenn Schiffe weniger Fracht aufnehmen können, muss die Fracht anders transportiert werden. Züge? Eine Alternative, aber die Bahn scheint momentan nicht viele freie Kapazitäten zu haben. LKWs? Möglich, wäre aber keine umweltfreundliche Alternative.

Eine weitere Auswirkung des Niedrigwassers ist ein Anstieg der Wassertemperatur, die an einigen Messstellen über 25 Grad Celsius beträgt. Für manche Pflanzen und Fische sind solche Temperaturanstiege problematisch, andere werden dadurch begünstigt. Jedenfalls hat ein solcher Anstieg Konsequenzen für das Ökosystem Fluss. Die Rheinische Post berichtet am 28. Juli 2022 beispielsweise von Vögeln (Limikolen), die durch die ausgetrockneten Böden keine Nahrung mehr finden.

Der Rheinische Tagebau – und sein Betreiber RWE – tragen mit dazu bei, dass uns das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals steht. Beide werden zukünftig dazu beitragen, dass es uns im Rhein nicht mehr so leicht wörtlich bis zum Hals steht. Ab 2030 soll es eine Rheinwassertransportleitung geben, die große Mengen Rheinwasser entnimmt und in den dann beendeten Rheinischen Braunkohletagebau leitet. In einem netten Prospekt wirbt RWE mit Bildern von Segelbooten und es wird damit geworben, dass ein tolles Naherholungsgebiet entstehen wird. Alleine für die Befüllung des Tagebausees Hambach sollen, laut Angaben von RWE, 4300 Millionen Kubikmeter Wasser, der See wird dann eine Fläche von 36 Quadratkilometern haben. Der See wäre dann einer der 10 größten Seen in Deutschland.

Es gibt aber jetzt schon tolle grüne Naherholungsgebiete am Niederrhein: Naturschutzgebiete, Seen, Moore, Flüsse, Wälder. Aber – und es ist ein riesiges aber – diese ganzen Gebiete gibt es nur noch, weil sie durch Grundwasser, das aufgrund des Tagebaus abgepumpt wurde, am Leben erhalten werden. Warum muss man sie am Leben halten? Weil ihnen – aufgrund des Tagebaus – das Grundwasser entzogen wurde. Klingt zirkulär? Aber genau das passiert. Um den Tagebau zu betrieben, muss das Grundwasser abgepumpt werden. (Das habe ich an anderer Stelle schon einmal beschrieben.) Weil durch das Abpumpen des Grundwassers die Feuchtgebiete ihren natürlichen Grundwasseranschluss verloren haben, müssen sie künstlich mit Wasser versorgt werden. Nötig wäre es nicht, wenn kein Tagebau betrieben worden wäre.

Wenn nun der Tagebau eingestellt wird, wird auch kein Grundwasser mehr abgepumpt. Wo kommt dann das Wasser für die Feuchtgebiete her? Aus dem Rhein! Das Wasser, das aus dem Rhein entnommen werden soll, wird nicht nur die Tagebaurestlöcher fluten, sondern auch die Feuchtgebiete am Leben halten.

Gibt es eine Alternative zur Rheinwasserentnahme? Ja, die hätte es gegeben, wenn man vor Jahrzehnten die Konsequenzen der Genehmigung des Rheinischen Braunkohletagebaus durchdacht hätte. Heute scheint es mir keine Alternative zu geben. Wir können nur hoffen, dass das Ökosystem Rhein einen geringeren Pegelstand verkraften wird. Wenn sowieso nur wenig Wasser da ist, ist die Entnahme großer Wassermengen keine gute Idee. Wir können nur hoffen, dass die Wasserentnahme auch bei Niedrigwasser klappt, denn die Feuchtgebiete brauchen das Wasser. Wenn das bei Niedrigwasser nicht funktioniert, dann fehlt unseren Feuchtgebieten das Wasser. Typischerweise tritt Niedrigwasser auf, wenn es nur wenig regnet. Die Feuchtgebiete können also das fehlende Grundwasser nicht durch Regenwasser kompensieren. Wir können nur hoffen, dass alle Verantwortlichen klug genug sind und den Feuchtgebieten jederzeit Vorzug gegenüber der Befüllung der Tagebaurestseen geben. Wir können nur hoffen, dass das Grundwasser schnell wieder ansteigt – es wird wohl Jahrzehnte dauern – und die Feuchtgebiete dann endlich wieder einen eigenen Grundwasseranschluss haben. Wir brauchen die Feuchtgebiete, sie sind ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen den Klimawandel.

Zu allen Problemen, die durch die Verbrennung der Braunkohle verursacht werden, kommt das leider oft unbeachtete Grundwasserproblem hinzu. Um es deutlich zu sagen: Das Grundwasserproblem bestünde nicht, wenn es den Braunkohletagebau nicht gäbe. RWE hat enorme Gewinne auf Kosten unseres Grundwassers gemacht und gefährdet nicht nur das Klima durch den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen, sondern auch unsere Natur – die wir im Kampf gegen den Klimawandel so dringend brauchen – durch den Entzug von Grundwasser. Uns steht das Wasser – ganz sprichwörtlich – nicht nur bis zum Hals, sondern schon ein gutes Stück höher!

Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein runter

Der (nicht ganz so enge) Zusammenhang zwischen einer Redewendung und dem Rheinischen Braunkohletagebau

Die Redewendung Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein runter kennt man wahrscheinlich nicht nur im Rheinland. Mit dieser Redewendung drückt man aus, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch eine große Menge an Wasser von der Rheinquelle zu seiner Mündung fließt. Gemeint ist damit, dass noch viel Zeit bis zu einem bestimmten Ereignis verstreicht. Wörtlich genommen trifft die Redewendung gerade aber nicht zu, denn aktuell fließt eher wenig Wasser den Rhein hinunter. Nach Angaben der Stadt Köln beträgt der statisch berechnete Durchschnittspegel des Rheins 3,21 Meter. Für den 21. Juli 2022 (19:15 Uhr) meldet die Stadt Köln einen Pegelstand von 1,17 Meter. Rheinschiffe können nicht mehr mit voller Ladung fahren, was in der momentanen Situation, in der vermehrt Getreide und fossile Brennstoffe über Wasserwege transportiert werden sollen, sehr ungünstig ist. Das Rheinwasser ist aber auch bereits für die Zukunft eingeplant.

Das momentan noch existierende Rheinische Braunkohlerevier besteht aus mehreren Tagebauen, die nach Beendigung der Tagebaue riesige Löcher in der Landschaft sein werden. Geplant ist, dass diese Tagebaue geflutet werden, wodurch im Rheinland neue große Seen entstehen. An dieser Stelle kommt der Rhein ins Spiel. Das Wasser, das die Tagebaulöcher fluten wird, soll dem Rhein entnommen werden. Dabei geht es um ziemlich große Wassermengen. Die Entnahme soll den Rheinpegel über die Zeit der Flutung um ein bis zwei Zentimeter absenken. Ein bis zwei Zentimeter, das klingt nicht nach viel, aber ist die Wasserentnahme auch dann möglich, wenn der Rheinpegel sehr niedrig ist?

Man könnte nun denken: alles halb so wild, dann werden die Tagebaurestlöcher halt nur im Winter befüllt. Die Befüllung der Löcher würde dann länger dauern, aber wäre das schlimm? Na ja, es geht leider nicht nur um die geplanten Seen. Der Tagebau wird unter Grundwasserniveau betrieben. Dies birgt die Gefahr, dass entweder über die Ränder des Tagebaus Grundwasser eindringt oder durch den Boden. Der Druck des Grundwassers würde die Böschung, bzw. den Boden instabil werden lassen. Die Hänge würden abrutschen, Maschinen könnten nicht sicher im Tagebau betrieben werden. Damit der Tagebau nicht mit Grundwasser vollläuft, wird dieses abgepumpt. Das Grundwasser muss dabei bis unter den tiefsten Punkt des Tagebaus abgepumpt werden. Teilweise liegt die Braunkohle in Tiefen bis zu 450 Metern, sodass das Wasser bis in solche Tiefen gesümpft werden muss. Der Prozess des Grundwasserabpumpens wird als Sümpfung bezeichnet. Im Tagebau Garzweiler reicht die Sümpfung „nur“ in Tiefen bis zu 230 Metern, im Tagebau Hambach wird jedoch bis in Tiefen von über 500 Metern gesümpft (Quelle: BUND). Wenn der Tagebau entwässert wird, ist nicht nur der Boden direkt um den Tagebau durch diese Maßnahme betroffen. Die Auswirkungen sind nördlich bis nach Schwalmtal, im Westen bis in die Niederlande hinein (Selfkant), südlich bis nach Meckenheim (das noch unter Bonn liegt) und östlich fast bis Köln zu bemerken. Insgesamt ist ein Gebiet von über 3000 qkm von den Maßnahmen betroffen (Quelle: Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrehin-Westfalen). Dies entspricht der Fläche von über 420000 Fußballfeldern. Im Vergleich dazu, das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat eine Landesfläche von rund 34000 qkm, sodass fast 10% der Landesfläche von den Sümpfungsmaßnahmen betroffen sind!

Eine direkte Konsequenz der Sümpfungsmaßnahmen ist, dass viele Fließgewässer (zum Beispiel die Schwalm) und Feuchtgebiete ihren Grundwasseranschluss verloren haben (dazu auch die Seite der Parents for Future Kreis Viersen). Damit werden sie eigentlich nur noch vom Niederschlag gespeist. Das reicht aber nicht aus, weshalb ein Teil des Sümpfungswasser als Stützwasser in die Feuchtgebiete und Fließgewässer eingeleitet wird. Das vorher gesümpfte Wasser wird ihnen auf diese Weise wieder zurückgeführt. Endet der Tagebau, hören auch die Sümpfungsmaß-nahmen sukzessive auf. Das heißt aber nicht, dass der Grundwasserpegel sofort wieder auf das alte Niveau ansteigt. Der Anstieg des Grundwasserpegel ist ein Prozess, der Jahrzehnte dauert. Für die Feuchtgebiete und Fließgewässer ist das nun erst einmal ein Problem, denn das Grundwasser fehlt und Sümpfungswasser kann nicht mehr zugeleitet werden. Daher, so der Plan, soll Stützungswasser aus dem Rhein entnommen werden. Hier tritt nun der Konflikt auf, denn das Rheinwasser soll ja auch die Tagebaurestlöcher füllen. Damit kommen wir wieder zur Ausgangsfrage: wird die Wasserentnahme möglich sein, wenn der Rheinpegel niedrig ist? Es scheint so zu sein, dass die Entnahme auch bei Niedrigwasser kein Problem darstellen wird. Die Grünen aus Rommerskirchen liefern dazu einige Zahlen, die zeigen, dass die Pegelabsenkung durch die Entnahme den Rhein auch bei niedrigsten Pegelständen nicht leerfallen lassen würde. Klar ist aber auch, dass die bereits beobachtbaren Klimaveränderungen Auswirkungen auf den Rheinpegel haben und mit Niedrigwasser in zukünftigen Sommern auch weiterhin zu rechnen sein wird.

Der Kohleausstieg aus dem Braunkohletagebau ist für das Jahr 2030 geplant. Die Rheiwassertransportleitung, die das Wasser vom Rhein in das Rheinische Braunkohlerevier bringen soll, ist bis jetzt noch nicht final genehmigt. Es bleibt zu hoffen, dass bis zur Fertigstellung der Leitung nicht mehr zu viel Wasser den Rhein hinunterfließt, denn spätestens 2030 muss das Wasser fließen, wenn das fehlende Stützwasser kompensiert werden muss. (Weitere Informationen zur Rheinwassertransportleitung gibt es auf der Seite der Bezirksregierung Köln. Der BUND sieht einige Langzeitriskien und Folgschäden, die durch die Rheinwassertransportleitung drohen.)

Wenn es auch keinen sprachwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen der Redewendung und der durch den Rheinischen Braunkohletagebau verursachten Grundwasserproblematik gibt, bietet die Redewendung doch einen guten Anlass das Grundwasserthema, das in der ganzen Debatte um den Kohleausstieg viel zu kurz kommt, einmal aufzugreifen.