Wer steht mir da im Weg herum? Und warum?

Über Blockaden von Autos und Blockaden mit Autos

Die ‚Letzte Generation’‘‘ hat mit ihren Aktionen eine breite Öffentlichkeit erreicht. Insbesondere die Straßenblockaden haben ein großes mediales Echo gefunden. Aber nicht nur das, auch politisch wird gehandelt. Politiker erklären die Aktivisten der ‚Letzten Generation‘ zu Kriminellen. Der RND berichtet über entsprechende Äußerungen von Friedrich Merz. Und juristisch wird gegen sie wegen der möglichen Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgegangen (z.B. im Spiegel oder auf N-TV).  

In den sozialen Medien gibt es zahlreiche Videos der friedlichen Proteste, unter anderem dieses hier. Auf diesem Video ist aber auch zu sehen, wie die Autofahrer, die durch die Aktivisten blockiert werden, reagieren. Nicht gerade sanft werden die Aktivisten von der Straße gezerrt, beschimpft und eingeschüchtert. Worüber regen sich die Autofahrer auf? Darüber, dass sie im Stau stehen müssen.

Auf dem verlinkten Video sieht man einen Paketboten bei der ‚Entfernung‘ von Aktivisten von der Straße. Paketboten bieten sich als Diskussionsobjekt gut an. Sie haben ziemlichen Zeitdruck und müssen, damit sie Geld verdienen, herumfahren. Im Stau stehen ist für Paketboten definitiv ein finanzieller oder zumindest zeitlicher Verlust.

Als ich eben meinen ältesten Sohn von der Schule abholte, parkte ein Paketbote mitten auf einem Fußgängerüberweg und lieferte Pakete aus. Dadurch stand er nicht nur den Fußgängern mitten im Weg, sondern blockierte auch vollkommen die Sicht. Die ganze Angelegenheit dauert rund 5 Minuten. Wie hätte der Paketbote reagiert, wenn ihn nun jemand gebeten hätte wegzufahren? Vielleicht sogar mit der Begründung, dass er ja mitten im Weg steht? Ein paar Mal hatte ich eine solche Diskussion, die Antwort war immer, dass er ja nur kurz etwas ausliefern müsse. Einsicht, dass dies für Fußgänger – insbesondere Kinder – gefährlich sein kann? Nein! Einsicht, dass man nicht einfach so die Straßenseite wechseln kann – mit Kindern –, weil auf der anderen Straßenseite alles vollgeparkt ist? Nein!

Gelegentlich halten die Paketboten mitten auf unserer einspurigen Straße und liefern in Ruhe ihre Pakete aus. Nachkommende Autos müssen sich gedulden. Und wie häufig werden Radwege blockiert? Zwar ist der Übeltäter diesmal kein Paketbote, aber in einer Nachbarstraße ist jeden Morgen (am Wochenende ganztägig) der Fußweg mit einem Auto vollgestellt. Dass am Ende der Straße eine KITA ist und einige Kinder diesen Weg zu Fuß meistern müssen, ist dem Fahrer egal.      

Warum empören sich Autofahrer darüber, dass einzelne (!) Straßen blockiert werden, aber nicht darüber, dass andere Autofahrer Fuß- und Radwege blockieren? Warum empören sich so viele darüber, dass sie blockiert werden, obwohl sie selbst blockieren? Die ‚Letzte Generation‘ setzt sich nicht aus Spaß auf die Straße, sondern um ein Anliegen zu transportieren. Ihnen geht es darum deutlich zu machen, dass wir uns in einer Klimakrise befinden, die entsprechendes Handeln seitens aller (!) erfordert. Ihre Aktionen sind also Klimaprotest. Dieser Protest ist mit den Forderungen der ‚Letzten Generation‘ eng verbunden. So heißt es auf der Homepage der Gruppe: „Im Angesicht des Klimakollaps brauchen wir jetzt ein Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket“. Sie fordern also verkehrspolitische Maßnahmen. Der Protest auf der Straße – im wörtlichen Sinne – liegt somit auf der Hand.   

Und die Autofahrer, die auf Rad- und Fußwegen parken, die Straßen blockieren? Warum machen die das? Haben sie ein Anliegen? Bestimmt haben sie eines. Aber keines, das als ‚Protest‘ bezeichnet werden kann. Die medialen Reaktionen zeigen, dass es einen enormen Unterschied macht, ob man Autos blockiert oder mit Autos blockiert. Ersteres ist empörenswert – selbst wenn es als Klimaprotest ein wichtiges Anliegen verfolgt –, letzteres ist anscheinend das Recht zumindest einiger Autofahrer.

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