Uns steht das Wasser bis zum Hals

Im Sommer herrscht Niedrigwasser und trotzdem muss der Rheinpegel abgesenkt werden – Die Konsequenzen des Rheinischen Braunkohletagebaus für das Grundwasser und den Rhein

Wieder eine Redewendung zum Thema ‚Wasser‘. Dass uns das Wasser bis zum Hals steht – wir also enorme Probleme haben – , ist heute sehr deutlich geworden. Heute ist Erdüberlastungstag (hier Informationen des Umweltbundesamtes). Ab heute verbrauchen die Menschen mehr Ressourcen als auf natürlich Weise nachwachsen. Dass uns das Wasser bis zum Hals steht hat aber auch wieder eine wörtliche Interpretation. Nach dieser reicht das Wasser eines Sees oder Flusses eben bis zum Hals. In Düsseldorf würde uns der Rhein normalerweise nicht bis zum Hals gehen, sondern – um diese Jahreszeit – über unsere Köpfe schwappen. Normal wäre ein Rheinpegel von zwei bis drei Metern. Aktuell steht der Rhein bei Düsseldorf aber nur Kindern bis zum Hals, denn der Pegel liegt unter einem Meter (Quelle: Rheinische Post). Bei Emmerich betrug der Rheinpegel heute am 28.07.2022 sogar nur zwischen 36 und 38 Zentimetern. In Köln lag er am 28.07. um 16.30 Uhr bei 110 Zentimetern. In allem Fällen ist der Rhein deutlich unter seinem Normalstand. In den Zeitungen liest man, welche Auswirkungen dies hat. Schiffe können nur noch mit weniger Fracht fahren, und so weiter und so fort. Wenn Schiffe weniger Fracht aufnehmen können, muss die Fracht anders transportiert werden. Züge? Eine Alternative, aber die Bahn scheint momentan nicht viele freie Kapazitäten zu haben. LKWs? Möglich, wäre aber keine umweltfreundliche Alternative.

Eine weitere Auswirkung des Niedrigwassers ist ein Anstieg der Wassertemperatur, die an einigen Messstellen über 25 Grad Celsius beträgt. Für manche Pflanzen und Fische sind solche Temperaturanstiege problematisch, andere werden dadurch begünstigt. Jedenfalls hat ein solcher Anstieg Konsequenzen für das Ökosystem Fluss. Die Rheinische Post berichtet am 28. Juli 2022 beispielsweise von Vögeln (Limikolen), die durch die ausgetrockneten Böden keine Nahrung mehr finden.

Der Rheinische Tagebau – und sein Betreiber RWE – tragen mit dazu bei, dass uns das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals steht. Beide werden zukünftig dazu beitragen, dass es uns im Rhein nicht mehr so leicht wörtlich bis zum Hals steht. Ab 2030 soll es eine Rheinwassertransportleitung geben, die große Mengen Rheinwasser entnimmt und in den dann beendeten Rheinischen Braunkohletagebau leitet. In einem netten Prospekt wirbt RWE mit Bildern von Segelbooten und es wird damit geworben, dass ein tolles Naherholungsgebiet entstehen wird. Alleine für die Befüllung des Tagebausees Hambach sollen, laut Angaben von RWE, 4300 Millionen Kubikmeter Wasser, der See wird dann eine Fläche von 36 Quadratkilometern haben. Der See wäre dann einer der 10 größten Seen in Deutschland.

Es gibt aber jetzt schon tolle grüne Naherholungsgebiete am Niederrhein: Naturschutzgebiete, Seen, Moore, Flüsse, Wälder. Aber – und es ist ein riesiges aber – diese ganzen Gebiete gibt es nur noch, weil sie durch Grundwasser, das aufgrund des Tagebaus abgepumpt wurde, am Leben erhalten werden. Warum muss man sie am Leben halten? Weil ihnen – aufgrund des Tagebaus – das Grundwasser entzogen wurde. Klingt zirkulär? Aber genau das passiert. Um den Tagebau zu betrieben, muss das Grundwasser abgepumpt werden. (Das habe ich an anderer Stelle schon einmal beschrieben.) Weil durch das Abpumpen des Grundwassers die Feuchtgebiete ihren natürlichen Grundwasseranschluss verloren haben, müssen sie künstlich mit Wasser versorgt werden. Nötig wäre es nicht, wenn kein Tagebau betrieben worden wäre.

Wenn nun der Tagebau eingestellt wird, wird auch kein Grundwasser mehr abgepumpt. Wo kommt dann das Wasser für die Feuchtgebiete her? Aus dem Rhein! Das Wasser, das aus dem Rhein entnommen werden soll, wird nicht nur die Tagebaurestlöcher fluten, sondern auch die Feuchtgebiete am Leben halten.

Gibt es eine Alternative zur Rheinwasserentnahme? Ja, die hätte es gegeben, wenn man vor Jahrzehnten die Konsequenzen der Genehmigung des Rheinischen Braunkohletagebaus durchdacht hätte. Heute scheint es mir keine Alternative zu geben. Wir können nur hoffen, dass das Ökosystem Rhein einen geringeren Pegelstand verkraften wird. Wenn sowieso nur wenig Wasser da ist, ist die Entnahme großer Wassermengen keine gute Idee. Wir können nur hoffen, dass die Wasserentnahme auch bei Niedrigwasser klappt, denn die Feuchtgebiete brauchen das Wasser. Wenn das bei Niedrigwasser nicht funktioniert, dann fehlt unseren Feuchtgebieten das Wasser. Typischerweise tritt Niedrigwasser auf, wenn es nur wenig regnet. Die Feuchtgebiete können also das fehlende Grundwasser nicht durch Regenwasser kompensieren. Wir können nur hoffen, dass alle Verantwortlichen klug genug sind und den Feuchtgebieten jederzeit Vorzug gegenüber der Befüllung der Tagebaurestseen geben. Wir können nur hoffen, dass das Grundwasser schnell wieder ansteigt – es wird wohl Jahrzehnte dauern – und die Feuchtgebiete dann endlich wieder einen eigenen Grundwasseranschluss haben. Wir brauchen die Feuchtgebiete, sie sind ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen den Klimawandel.

Zu allen Problemen, die durch die Verbrennung der Braunkohle verursacht werden, kommt das leider oft unbeachtete Grundwasserproblem hinzu. Um es deutlich zu sagen: Das Grundwasserproblem bestünde nicht, wenn es den Braunkohletagebau nicht gäbe. RWE hat enorme Gewinne auf Kosten unseres Grundwassers gemacht und gefährdet nicht nur das Klima durch den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen, sondern auch unsere Natur – die wir im Kampf gegen den Klimawandel so dringend brauchen – durch den Entzug von Grundwasser. Uns steht das Wasser – ganz sprichwörtlich – nicht nur bis zum Hals, sondern schon ein gutes Stück höher!

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