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Penetrant rücksichtslose Klimakriminelle

Negatives Framing von Klimaaktivisten in Politik und Polizeigewerkschaft

Welche Rolle spielen Äußerungen von Politiker*innen und Polizist*innen bezüglich der öffentlichen Wahrnehmung von Klimaaktivist*innen? Keine unwesentliche, denn sowohl Politiker*innen als auch Polizist*innen – letztere zumindest, wenn sie Vorsteher*innen einer Gewerkschaft sind – sind öffentliche Personen. Ihnen wird in ihrer Funktion beispielsweise als Innenminister*in Kompetenz zugetraut und ihre Äußerungen finden ein Medienecho. Daher ist es nicht unerheblich, wenn solche Personen sich zur Gruppe der Letzten Generation äußern.

Dies haben Joachim Herrmann, Innenminister Bayerns und Mitglied der CSU, sowie Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), gegenüber der Deutschen Pressseagentur getan. Die Rheinische Post hat dazu am 16.07.2023 berichtet. Die Aussagen dieser beiden Personen enthalten einige Formulierungen, die es sich genauer anzusehen lohnt.

Joachim Herrmann möchte sich, so heißt es, mit seinen Länderkollegen für „die erforderliche härtere Bestrafung krimineller Klimaaktivisten“ einsetzen. An dieser Aussage sind mehrere Aspekte bemerkenswert: 1. Es gibt, in seinen Augen, kriminelle Klimaaktivist*innen. Aber wer sind diese? Geht es dabei nur um die Gruppe der Letzten Generation oder sind auch andere Klimaaktivist*innen kriminell? Es ist also unklar, wer gemeint ist. 2. Es gibt Klimaaktivist*innen, die kriminell sind. Sicherlich gibt es kriminelle Klimaaktivist*innen, wie es auch kriminelle Lehrer*innen, kriminelle Politiker*innen oder kriminelle Polizist*innen gibt. Irgendein*e Klimaaktivist*in wird sicherlich einmal etwas geklaut haben oder gar eine Vorstrafe aufweisen. Aber das meint Herrmann nicht, wenn er von ‚kriminellen Klimaaktivisten‘ spricht. Er bewertet damit das Engagement der Klimaaktivist*innen, bzw. die Mittel, die sie für ihre Aktivitäten wählen, als kriminell. Das ist eine gewagte Einschätzung, Gerichte und Strafverfolgungsbehörden sind da nicht unbedingt auf seiner Seite. Hier ein Artikel aus der Süddeutchen Zeitung zu diesem Thema. 3. Härtere Strafen für kriminelle Klimaaktivist*innen sind nötig. Dies bedeutet, dass die bestehenden Strafen nicht ausreichen würden. An welchen Stellen müssen Strafen härter werden? Und zu welchem Grad müssen sie härter werden? Die Intention hinter einer solchen Verschärfung dürfte sein, dass härtere Strafen Klimaaktivist*innen vor weiteren Aktionen abschrecken sollen. 4. Härtere Strafen sind erforderlich. Warum sollten härtere Strafen erforderlich sein? Sicherlich, weil weitere Proste auf diese Weise abgewürgt werden sollen. Herrmanns Aussage verbleibt an vielen Stellen im vagen und ist an ebenso vielen Stellen angreifbar.

Das koordinierte juristische Vorgehen gegen die Letzte Generation ist aber nur eines der Ziele von Herrmann. Er will auch, dass Blockaden – gemeint sind wohl vor allem Straßenblockaden – schneller beseitigt werden können. Seine Motivation ist: „Je geringer die Auswirkungen, desto geringer der „Erfolg“ der Aktivisten und letztlich auch der Ärger in der Bevölkerung.“ An dieser Stelle hat Herrmann die Letzte Generation klar missverstanden. Ihr Ziel ist nicht die Blockade, sondern unter anderem die Einführung eines bundesweiten 9 Euro-Tickets. Der Letzten Generation geht es um Klimaschutz und nicht um möglichst lange Straßenblockaden. Herrmann stellt die Straßenblockaden als einen Selbstzweck dar, der sie nicht sind. Eine Frage, die offen bleibt, ist, wie sollen Blockaden denn schneller beseitigt werden? Sollen Klimaaktivist*innen stärker überwacht werden, sodass die Polizei unmittelbar zu Beginn einer Aktion vor Ort sein kann? Sollen Autofahrer*innen legitimiert werden, gegen die Klimaaktivist*innen vorzugehen?

Die beiden Äußerungen von Herrmann haben einen Effekt: Der Fokus wird vom eigentlichen Anliegen der Aktivist*innen auf die Wahl ihrer Mittel gelegt und diese werden als kriminell geframt. Statt über Klimaschutz wird somit über härtere Gesetze gegenüber Klimaaktivist*innen gesprochen. Es findet eine Diskursverschiebung statt, die im Falle des Redens von ‚kriminellen Klimaaktivisten‘ auch diffiziler ist, als wenn von ‚Klimaterroristen‘ oder gar einer ‚Klima-RAF‘ gesprochen wird. Dass die Aktivist*innen der Letzten Generation nicht gut unter die Bezeichnung ‚Terroristen‘ fallen, sollte relativ leicht zu erkennen sein. ‚Kriminell‘ ist jedoch eine Eigenschaftszuschreibung, die schwerer zu evaluieren und damit auch schwerer zurückzuweisen ist. Aus meiner Sicht stellt die sprachliche Kriminalisierung der Letzten Generation damit ein effektiveres negatives Framing als die Verwendung von Bezeichnungen wie ‚Klimaterroristen‘ dar. Durch das stetig wiederholte Framing als ‚kriminell‘ wird sich in den Köpfen der Menschen festsetzen, dass die Aktionen der Klimaaktivist*innen kriminell seien und zwar unabhängig davon, ob Gerichte die Aktionen oder einzelne Aktionen tatsächlich als ‚kriminell‘ bewerten.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, geht argumentativ in eine ähnliche Richtung. Er spricht davon, dass die Gruppe ‚kriminelle Aktionen‘ betreibe und dies mit einer ‚penetranten Rücksichtslosigkeit‘. Gerade diese Rücksichtslosigkeit ist, so Kopelke, Ursache dafür, dass die Aktionen die Akzeptanz des Klimaschutzes nicht steigern würden. Ist Herr Kopelke wirklich besorgt um die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen? Möglich ist es, aber das Framing – die Aktionen der Letzten Generation sorgen dafür, dass Klimaschutzmaßnahmen an Akzeptanz verlieren – wird von Wissenschaftler*innen nicht unterstützt (hier ein Artikel zu diesem Thema auf tagesschau.de). Klar, die Letzte Generation kann mit ihren Aktionen sicherlich nicht Klimawandelskeptiker*innen überzeugen, aber die Aktionen halten das Thema Klimakrise konstant in der öffentlichen Wahrnehmung und machen deutlich, mit welcher Härte Vertreter*innen bestimmter politischer Positionen gegen Klimaaktivist*innen bereit sind vorzugehen.

Sollte Herr Kopelke tatsächlich um die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen besorgt sein, dann wäre es sicherlich hilfreicher, er würde die Aktionen der Letzten Generation nicht als ‚kriminell‘ und die Gruppe nicht als ‚penetrant rücksichtslos‘ bezeichnen. Das konstante negative Framing von Klimaaktivist*innen, das unkritisch in einigen Medien aufgegriffen wird, ist möglicherweise problematischer für die Akzeptanz möglicher Maßnahmen als die Aktionen der Letzten Generation. Aber ich gebe zu, dies sollten geeignete Wissenschaftler*innen mit empirischen Methoden überprüfen und weder spekulativ von mir oder dem Vorsitzen der Polizeigewerkschaft behauptet werden.

Kleine Randbemerkung: dass sich einzelne Polizeibeamte oder -beamtinnen bei der Letzten Generation engagieren sollen, sieht Herr Kopelke kritisch. Dazu äußert er sich wie folgt: „Ein solches Engagement ist hochproblematisch, dienstrechtliche Konsequenzen hochwahrscheinlich.“ Ähnliche Formulierungen wünscht mensch sich da natürlich auch bezüglich der Mitgliedschaft von Polizist*innen in rechten Chatgruppen.

In dem Artikel der Rheinischen Post werden auch Äußerungen weiterer Politiker*innen angeführt. Interessant ist da noch eine Äußerung von Claudia Roth, die folgendermaßen wiedergegeben wird: „Mit Blick auf frühere Aktionen, bei denen Lebensmittel auf Kunstwerke geschmiert worden waren, sagte sie, wenn sich die Debatte um die fragwürdigen Aktionsformen der Gruppierung drehten, überlagere dies die wichtige Diskussion über Maßnahmen gegen die Klimakrise“. Es stimmt schon, dass es sinnvoller wäre, wenn über konkrete Klimaschutzmaßnahmen und nicht über die Aktionsformen der Letzten Generation gesprochen werden könnte. Aber dies ist kein Vorwurf, der der Letzten Generation gemacht werden kann. In diesem Kontext sollte der Fokus weg von den Aktionen der Letzten Generation und hin auf die Reaktionen, die diese Aktionen hervorrufen, gelegt werden. Wir erleben eine immense verbale Kriminalisierung, in der Politiker verschiedenster Parteien und auch Vertreter der Polizei Klimaaktivist*innen gemeinsam als kriminell framen.

Zurück zum Ausgangspunkt: welche Rolle spielen Äußerungen von Politiker*innen und Polizist*innen bezüglich Klimaaktivisten und Klimaaktivismus? Insbesondere Politiker*innen, gerade dann, wenn sie ein ministerielles Amt ausüben, wirken durch ihre Äußerungen auf den öffentlichen politischen Diskurs ein. Sie machen politische Aussagen und sprechen mit diesen natürlich auch ihre (potentielle) Wählerschaft an. In Bayern stehen in nicht nähere Zeit Landtagswahlen an, daher lassen sich Forderungen nach repressive Maßnahmen gegen Klimaaktivist*innen unter den Oberbegriff ‚Law & Order‘ subsumieren, ein Feld in dem sich CDU und CSU seit jeher gerne profilieren. Die Äußerungen des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei sind, meiner Meinung nach, besonders kritisch zu sehen. Zwar entscheiden Polizist*innen nicht, was als ‚kriminell‘ gilt, aber gemeinhin würde mensch ihnen doch eine gewissen Kompetenz bezürlich dieses Themenbereichs zusprechen. Wenn nun nicht nur irgendein Polizist sondern der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei sagt, dass die Aktionen der Letzten Generation kriminell seien, dann steht das Gewicht der deutschen Polizei hinter einer solchen Aussage. Dies wirkt auf Menschen, auch auf die, die als Polizist*innen direkt mit der Letzten Generation zu tun haben.

Neben dem Aspekt, dass die oben genannten Personen einen besonderen Status im öffentlichen Diskurs haben (vermeindliche Kompetenz, Reputation), ist die aktuelle Debatte über die Letzte Generation unter zwei Gesichtspunkten sehr kritisch zu sehen. Erstens werden gerne allgemeine Formulierung der Form ‚die kriminellen Klimaaktivist*innen‘ verwendet, wobei nicht klar ist, ob damit nicht eventuell alle Klimaaktivist*innen gemeint sein sollen (die Formulierung lässt es jedenfalls zu). Zweitens wird von ‚Kriminellen‘ und nicht mehr von ‚Terrorist*innen‘ gesprochen. Dies ist diffiziler und nicht so offensichtlich falsch wie die Bezeichnung ‚Klimaterrorist*innen‘. Damit erregt eine solche Formulierung möglicherweise weniger Widerspruch und wird eher akzeptiert als eine Bezeichung wie ‚Klimaterrorist*in‘. Daher finde ich diese verbale Kriminalisierung als durchaus gefährlicher als leichter zu durchschauende Terrorist*innenframing.

Nachtrag: Zu diesem Thema habe ich ein Radiointerview bei Radio Dreyeckland gegeben, hier der Link zum Beitrag.

Die Rheinische Post und die Tunnel

‚Der harte Kern hat das Sagen‘

In der Rheinischen Post, aber auch in anderen Medien, gab es einen Artikel mit dem Titel „In Lützerath hat längst der harte Kern das Sagen“ (veröffentlicht am 26.10.2022). Grundlegend geht es in dem Artikel um die wohlmögliche Räumung Lützeraths. Der Artikel ist ein Interview zwischen Maximilian Plück – Leiter Redaktion Landespolitik – und Michael Mertens, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei.

Die Fehler aus dem Hambacher Forst dürfen nicht wiederholt werden

Grundtenor der Aussagen Mertens ist: aus den Fehlern, die im Hambacher Forst gemacht wurden, müssen wir lernen. Statt alles auf einmal zu räumen und dann aufwändig zu bewachen, lieber in kleineren Etappen räumen und direkt roden. Interessant, dass dies die wesentliche Erkenntnis Mertens von der Räumung des Hambacher Forsts ist. Andere Menschen denken eher daran, dass die Räumung von Baumhäusern im Jahr 2018 nachträglich als rechtswidrig eingestuft wurde (z.B. hier in der ZEIT nachzulesen). Statt an Polizeitaktik denken viele Menschen auch eher an den Tod von Steffen Meyn (etwa hier in der TAZ nachzulesen).

Lützerath: Tunnel, Festung und harter Kern

In dem Interview geht es unter anderem um die Frage, was die Polizei bei einer Räumung zu erwarten habe. Mertens spricht von Tunneln und dem Ausbau Lützeraths als Festung. Er spricht davon, dass dort der ‚harte Kern‘ tonangebend sei und es zu einer Verbarrikadierung kommen dürfte.

Unklar ist, wer mit ‚harter Kern‘ genau gemeint sein soll? Sind damit Menschen gemeint, die sich seit Jahren für den Erhalt Lützeraths und einen Ausstieg aus dem Braunkohletagebau einsetzen? Mertens bleibt vage. Er verwendet jedoch das Wort ‚Besatzer‘, das momentan auch häufiger im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg verwendet wird. Dieser Begriff hat eine deutlich militärische Konnotation. Über diese ‚Besatzer‘ sagt Mertens, dass er nicht verstehen kann, warum von ihnen das Eckpunktepapier zum Kohleausstieg „so klein gemacht wird“. Eine Erklärung warum dieses Eckpunktepapier nicht nur klein gemacht wird, sondern abgelehnt wird, habe ich hier anzubieten. Mertens Meinung nach fehlen also weitere Gründe für den Protest, denn er gäbe ja einen guten Ausstiegskompromiss.

Interessant sind aber vor allem die Tunnel, die es in Lützerath geben könnte. Denn solche Tunnel werden nicht zum ersten Mal erwähnt.

Schon wieder diese Tunnel

Die Rheinische Post schrieb 2018 schon einmal über Tunnel schrieb. Damals soll es Tunnel im Hambacher Forst gegeben haben, die „an Anlagen aus dem Vietnamrieg“ erinnern sollten. Der Spiegel hat darüber berichtet, aber auch über die verantwortliche Polizeibehörde in Aachen. Diese twitterte, dass sie den Bericht nicht bestätigen könne und von der Existenz solcher Tunnel nichts wisse. Die RP besteht jedoch darauf, dass es diese Tunnel – zumindest laut internen Polizeidokumenten – gegeben haben soll. Beispielsweise N-TV berichtet zwar von Gruben, in denen sich Klimaaktivisten ‚verschanzt‘ hatten. Die angeblichen „Schmuggelrouten, um Waffen und Krawallmacher in den Forst zu bringen“ – so die RP – waren das aber nicht.

Nun wird also wieder vor Tunnel in der RP gewarnt. Diesmal muss sich die RP nicht auf interne Polizeidokumente beziehen, sondern hat Michael Mertens, der diese Aussage nun vornimmt. Wörtlich sagt er: „Es steht zu befürchten, dass auch in Lützerath wieder Tunnel gegraben worden sind“. Der Vergleich mit dem Vietnamkrieg fehlt diesmal, aber Belege für eine solche Aussage werden auch diesmal nicht vorgebracht.

Verbale Vorbereitung eines harten Polizeieinsatzes

Es ist kritisch zu sehen, wenn ein jemand in der Position von Herrn Mertens die Klimaaktivisten in Lützerath pauschal als ‚harten Kern‘ – gemeint ist wohl radikal und gewaltbereit – bezeichnet und ohne Belege vor erneuten Tunneln warnt, obwohl es diese Tunnel schon im Hambacher Forst nicht gab. Sogar die Dieser Beitrag wurde am von in Framing, Rheinischer Braunkohletagebau veröffentlicht. Schlagworte: , , .

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Wie die Rheinische Post für klimaschädliche Autos wirbt

In den 80er Jahren hatten meine Eltern die Westdeutsche Zeitung abonniert, mir war die Wochenendausgabe der Zeitung am liebsten. Diese Ausgabe war besonders dick und enthielt immer eine Witzseite, mit mal mehr und mal weniger gelungenen Witzen. Beim Suchen der Witzeseite habe ich meistens die Autoseiten gestreift, auf denen unter anderem die neuesten Kraftfahrzeuge vorgestellt wurden. Jetzt wurde mir ein Foto einer Seite der Rheinischen Post (vom 17.09.2022) zugeschickt, das mich gleich wieder in die 80er zurückversetzte. Unter der Überschrift Understatement aus Korea befindet sich das farbige Foto eines Autos und ein Text, der dieses Auto in höchsten Tönen lobt. Er geht dabei um einen Genesis, eine Automobilmarke, die zu Hyundai gehört. Das vorgestellte Auto – ein Genesis G80 – ist, wie es im Text heißt, „kein alltäglicher Wagen“. Das kann man alleine schon an den Werten, die zu dem Fahrzeug aufgelistet werden, erkennen:  304 PS, maximale Geschwindigkeit 250 km/h, Verbrauch 9,3 Liter und CO2-Ausstoß 205,4g/km. Das Umweltbundesamt berichtet, dass der durchschnittliche CO2-Ausstoß bei zugelassenen Neuwagen 2017 rund 118,5g/km betrug. Der vorgestellte Wagen liegt bei seinen Emissionen also jenseits des Durchschnitts.

Was schreibt denn die RP über diesen Wagen? Zum Beispiel folgendes: „Anonym und unerkannt vorbeifahren ist mit diesem Gefährt schwer möglich. Passanten drehen sich um und nickend anerkennend“. Das Urteil der RP ist deutlich, wer ein solches Fahrzeug fährt, der verdient Anerkennung. Nicht nur von den Redakteuren, auch die Passanten – vermutlich nicht alles Redakteure der RP – zollen dem Fahrer ihre Anerkennung für das Fahren dieses Fahrzeugs. Aber wofür denn genau? Dafür, dass man ein Luxusauto fährt? Dafür, dass man sich ein modernes koreanisches Statussymbol gegönnt hat? Ganz klar wird mir dies nicht, aber eines ist sicher. Anerkennung gibt es nicht für eine klimafreundliche Form der Fortbewegung.

Die RP versieht ihren Artikel mit dem Hinweis, dass der Redaktion der Wagen zu Testzwecken von Genesis zur Verfügung gestellt wurde. Der Artikel liest sich auch entsprechend wie eine Werbung für eine Luxuskarosse, die überteuert, übergroß, zu schnell und mit viel zu hoher Schadstoffemission daherkommt. Leider ist das nur meine Interpretation, denn die RP verhält sich dem Fahrzeug gegenüber vollkommen unkritisch. Muss ich kritischen Journalismus in einer solchen Art gesponsorter Berichterstattung erwarten? Nein, das wäre utopisch. Hätte die RP geschrieben: „Das Auto ist klimaschädlicher als der Durchschnitt der Autos“, wäre das für Genesis, die das Auto ja zu Testzwecken zur Verfügung stellten, ziemlich doof gewesen. Noch einmal hätte es bestimmt kein solches Testauto gegeben. Also, erwarten muss man nicht zu viel. Zugleich habe ich aber doch hohe Erwartungen. Ich erwarte, dass Zeitungen im Jahr 2022 realisiert haben, dass es wir gerade ein ganz ernstzunehmendes Problem haben: Klimawandel! Wir stecken mitten drin und eines der großen Themen, das im Zuge der Debatte rund um die Klimakrise dominant ist, ist, welchen Beitrag kann und muss der Verkehrssektor leisten. As große Stichwort ist hier: Mobilitätswende. Ich gestehe der RP gerne zu, dass sie das Thema Klimakrise nicht in jedem Artikel behandeln muss. Aber die Medien müssen ihre Verantwortung anerkennen und sich gut überlegen, ob ein Artikel, wie der über die Emissionsschleuder von Genesis, wirklich dieser Verantwortung gerecht wird.

Die Medien spielen eine zentrale Rolle darin, wie wir die Wirklichkeit wahrnehmen. Dies hat insbesondere damit zu tun, wie Medien – aber nicht nur diese – über die Welt sprechen, bzw. schreiben. Mit einem Artikel wie den über den Genesis G80 transportiert die RP eine bestimmte Wahrnehmung von Kraftfahrzeugen: das Fahren mit teuren, luxuriösen und klimaschädlichen Autos wird mit Prestige assoziiert. Das Fahrzeug wird dekontextualisiert präsentiert, es findet keine Einbettung in die wichtigen gesellschaftlichen Diskussionen statt, wodurch der Artikel sehr deutlich in die Nähe von Werbung gerückt wird, die unter dem Deckmantel eines objektiven Tests verschleiert wird. Nicht einmal eine Kontextualisierung der Verbrauchswerte findet statt. So wird lediglich der CO2-Ausstoß des Fahrzeugs angeführt, einen Hinweis auf den Durchschnittswert der Neuzulassungen findet sich nicht. Die RP stellt also Auto, das klimaschädlicher als der Durchschnitt der zugelassenen Neuwagen ist, als Prestigeobjekt dar, um das der Fahrer von den Passanten bewundert wird. Durch dieses positive Framing werden die negativen Aspekte vollkommen ausgeblendet.

Durch das positive Autoframing wird die RP ihrer medialen Verantwortung nicht gerecht, genau das Gegenteil ist der Fall. Es gibt Medien, die gehen einen anderen Weg. Die Frankfurter Rundschau bündelt ihre Klimaberichterstattung und stellt diese dadurch fokussierter dar. Mehr als 500 Französische Journalisten haben eine Charta für Klimaberichterstattung unterzeichnet (hier ein Artikel des Spiegels zu dem Thema). Diese beinhaltet nicht nur die Klimaberichterstattung, sondern auch die Verringerung des eigenen CO2-Ausstoßes. Wichtig ist, dass nicht nur die Klimakrise in ihrem weltweiten und lokalen Kontext ausreichend thematisiert wird, es ist auch wichtig, dass kein positives Framing klimaschädlicher Technologie oder Energieträger vorgenommen wird. Manchmal gilt eben auch in den Medien: Reden ist Silber, Schweigen ist Klimaschutz.           

Anmerkung 19.09.2022: Der oben genannte Artikel aus der RP ist auch online lesbar, jedoch fehlen einige Angaben – etwa die Auflistung der Werte -, die sich in der Printversion des Artikels finden.

Leseempfehlung: Nicht zum ersten Mal [hier] möchte ich auf Elisabeth Wehlings Buch Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht hinweisen. In dem Buch arbeitet sie sehr gut verständlich die Grundlagen des politischen Frames aus und zeigt auf, wie sich Sprache auf unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit (oder unsere Konzeptualisierung der Welt) auswirkt.