Der (nicht ganz so enge) Zusammenhang zwischen einer Redewendung und dem Rheinischen Braunkohletagebau
Die Redewendung Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein runter kennt man wahrscheinlich nicht nur im Rheinland. Mit dieser Redewendung drückt man aus, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch eine große Menge an Wasser von der Rheinquelle zu seiner Mündung fließt. Gemeint ist damit, dass noch viel Zeit bis zu einem bestimmten Ereignis verstreicht. Wörtlich genommen trifft die Redewendung gerade aber nicht zu, denn aktuell fließt eher wenig Wasser den Rhein hinunter. Nach Angaben der Stadt Köln beträgt der statisch berechnete Durchschnittspegel des Rheins 3,21 Meter. Für den 21. Juli 2022 (19:15 Uhr) meldet die Stadt Köln einen Pegelstand von 1,17 Meter. Rheinschiffe können nicht mehr mit voller Ladung fahren, was in der momentanen Situation, in der vermehrt Getreide und fossile Brennstoffe über Wasserwege transportiert werden sollen, sehr ungünstig ist. Das Rheinwasser ist aber auch bereits für die Zukunft eingeplant.
Das momentan noch existierende Rheinische Braunkohlerevier besteht aus mehreren Tagebauen, die nach Beendigung der Tagebaue riesige Löcher in der Landschaft sein werden. Geplant ist, dass diese Tagebaue geflutet werden, wodurch im Rheinland neue große Seen entstehen. An dieser Stelle kommt der Rhein ins Spiel. Das Wasser, das die Tagebaulöcher fluten wird, soll dem Rhein entnommen werden. Dabei geht es um ziemlich große Wassermengen. Die Entnahme soll den Rheinpegel über die Zeit der Flutung um ein bis zwei Zentimeter absenken. Ein bis zwei Zentimeter, das klingt nicht nach viel, aber ist die Wasserentnahme auch dann möglich, wenn der Rheinpegel sehr niedrig ist?
Man könnte nun denken: alles halb so wild, dann werden die Tagebaurestlöcher halt nur im Winter befüllt. Die Befüllung der Löcher würde dann länger dauern, aber wäre das schlimm? Na ja, es geht leider nicht nur um die geplanten Seen. Der Tagebau wird unter Grundwasserniveau betrieben. Dies birgt die Gefahr, dass entweder über die Ränder des Tagebaus Grundwasser eindringt oder durch den Boden. Der Druck des Grundwassers würde die Böschung, bzw. den Boden instabil werden lassen. Die Hänge würden abrutschen, Maschinen könnten nicht sicher im Tagebau betrieben werden. Damit der Tagebau nicht mit Grundwasser vollläuft, wird dieses abgepumpt. Das Grundwasser muss dabei bis unter den tiefsten Punkt des Tagebaus abgepumpt werden. Teilweise liegt die Braunkohle in Tiefen bis zu 450 Metern, sodass das Wasser bis in solche Tiefen gesümpft werden muss. Der Prozess des Grundwasserabpumpens wird als Sümpfung bezeichnet. Im Tagebau Garzweiler reicht die Sümpfung „nur“ in Tiefen bis zu 230 Metern, im Tagebau Hambach wird jedoch bis in Tiefen von über 500 Metern gesümpft (Quelle: BUND). Wenn der Tagebau entwässert wird, ist nicht nur der Boden direkt um den Tagebau durch diese Maßnahme betroffen. Die Auswirkungen sind nördlich bis nach Schwalmtal, im Westen bis in die Niederlande hinein (Selfkant), südlich bis nach Meckenheim (das noch unter Bonn liegt) und östlich fast bis Köln zu bemerken. Insgesamt ist ein Gebiet von über 3000 qkm von den Maßnahmen betroffen (Quelle: Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrehin-Westfalen). Dies entspricht der Fläche von über 420000 Fußballfeldern. Im Vergleich dazu, das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat eine Landesfläche von rund 34000 qkm, sodass fast 10% der Landesfläche von den Sümpfungsmaßnahmen betroffen sind!
Eine direkte Konsequenz der Sümpfungsmaßnahmen ist, dass viele Fließgewässer (zum Beispiel die Schwalm) und Feuchtgebiete ihren Grundwasseranschluss verloren haben (dazu auch die Seite der Parents for Future Kreis Viersen). Damit werden sie eigentlich nur noch vom Niederschlag gespeist. Das reicht aber nicht aus, weshalb ein Teil des Sümpfungswasser als Stützwasser in die Feuchtgebiete und Fließgewässer eingeleitet wird. Das vorher gesümpfte Wasser wird ihnen auf diese Weise wieder zurückgeführt. Endet der Tagebau, hören auch die Sümpfungsmaß-nahmen sukzessive auf. Das heißt aber nicht, dass der Grundwasserpegel sofort wieder auf das alte Niveau ansteigt. Der Anstieg des Grundwasserpegel ist ein Prozess, der Jahrzehnte dauert. Für die Feuchtgebiete und Fließgewässer ist das nun erst einmal ein Problem, denn das Grundwasser fehlt und Sümpfungswasser kann nicht mehr zugeleitet werden. Daher, so der Plan, soll Stützungswasser aus dem Rhein entnommen werden. Hier tritt nun der Konflikt auf, denn das Rheinwasser soll ja auch die Tagebaurestlöcher füllen. Damit kommen wir wieder zur Ausgangsfrage: wird die Wasserentnahme möglich sein, wenn der Rheinpegel niedrig ist? Es scheint so zu sein, dass die Entnahme auch bei Niedrigwasser kein Problem darstellen wird. Die Grünen aus Rommerskirchen liefern dazu einige Zahlen, die zeigen, dass die Pegelabsenkung durch die Entnahme den Rhein auch bei niedrigsten Pegelständen nicht leerfallen lassen würde. Klar ist aber auch, dass die bereits beobachtbaren Klimaveränderungen Auswirkungen auf den Rheinpegel haben und mit Niedrigwasser in zukünftigen Sommern auch weiterhin zu rechnen sein wird.
Der Kohleausstieg aus dem Braunkohletagebau ist für das Jahr 2030 geplant. Die Rheiwassertransportleitung, die das Wasser vom Rhein in das Rheinische Braunkohlerevier bringen soll, ist bis jetzt noch nicht final genehmigt. Es bleibt zu hoffen, dass bis zur Fertigstellung der Leitung nicht mehr zu viel Wasser den Rhein hinunterfließt, denn spätestens 2030 muss das Wasser fließen, wenn das fehlende Stützwasser kompensiert werden muss. (Weitere Informationen zur Rheinwassertransportleitung gibt es auf der Seite der Bezirksregierung Köln. Der BUND sieht einige Langzeitriskien und Folgschäden, die durch die Rheinwassertransportleitung drohen.)
Wenn es auch keinen sprachwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen der Redewendung und der durch den Rheinischen Braunkohletagebau verursachten Grundwasserproblematik gibt, bietet die Redewendung doch einen guten Anlass das Grundwasserthema, das in der ganzen Debatte um den Kohleausstieg viel zu kurz kommt, einmal aufzugreifen.